Das ‚Brexit‘-Referendum aus Schweizer und US-amerikanischer Sicht

Am 23. Juni 2016 votierten 52 % (bei einer Beteiligung von 72 %) für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Zwei Politiker, die sich für diesen sogenannten Brexit stark machten – Nigel Farage und Boris Johnson – traten daraufhin von der politischen Bühne ab. Boris Johnson betrat diese jüngst als Außenminister im Regierungsteam von Theresa May, die dem zurückgetretenen David Cameron als Tory-Parteivorsitzende nachfolgt, wieder. David Cameron gilt nunmehr als  Zocker, der aus innerparteilichen Machterhaltserwägungen das Votum in Aussicht gestellt und schließlich durchgeführt hat. Es heißt, der Ausgang sei für ihn selbst überraschend und nicht gewollt.

Theresa May, eine selbst erklärte Gegnerin des ‚Brexit‘, wird diesen nun umsetzen. Die EU wartet auf Großbritanniens Austrittsantrag gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages.

Soweit einige bekannte Tatsachen.

‚Brexit‘-Referendum unter nervöser Beobachtung

Das ‚Brexit‘-Referendum war bereits im Vorfeld im nervösen internationalen Fokus und so ist auch sein Ergebnis Stoff für Debatten und Prognosen weltweit. Nationalistische Bewegungen in europäischen Staaten träumen hörbar von eigenen Abstimmungen für Austritte aus der EU. Sinnige Wortschöpfungen wie Nexit und Auxit haben nicht in Notizheftchen von Kabarettisten das Licht der Geisteswelt erblickt, sondern in Redaktionen und Parteizentralen und zeugen von lauten, meist populistischen Forderungen. Die Zerrissenheit innerhalb des Königreiches wird einmal mehr sichtbar. Schottland, Nordirland  und Gibraltar stimmten für den Verbleib in der EU, England und Wales für den Austritt. Die Konsequenzen des Austittes Großbritaniens aus der EU für die EU sind aktuell unvorhersehbar.

Was die Rezeption des ‚Brexit‘-Referendums von anderen Referenden und Wahlen unterscheidet ist die Tatsache, dass es eine grundsätzliche Diskussion über das Wesen direktdemokratischer Prozesse ausgelöst hat. Das Spektrum der Kommentare und Analysen reicht von gefährlich bis alles nicht so schlimm. Im Folgenden seien zwei Positionen zitiert – eine aus der Schweiz, dem Land mit der wahrscheinlich größten Erfahrung in direkter Demokratie, eine aus den USA.

Zehntausende von Brexit-Gegnern gingen auf die Londoner Strassen. Der undemokratisch von oben eingefädelte Volksentscheid stellt Grossbritannien vor eine grosse Zerreissprobe. (Reuters)
Foto: www.swissinfo.ch

Fingerzeig für Verbesserungen oder russisches Roulette?

Bruno Kaufmann schreibt am 7. Juli in swissinfo.ch

Schwierige Volksentscheide sind keine Katastrophe. Vielmehr dienen solche als Fingerzeig, wo in einem politischen System Bedarf für demokratische Nachbesserungen herrscht.

Es sei gewarnt, eines einzelnen Abstimmungsergebnisses wegen die über Jahrhunderte gewachsenen politischen Strukturen in Frage zu stellen, zumal in emotional aufgeheizter Verfasstheit. Populisten fordern absolute Volkssouveränität, Post-Demokraten äußern Zweifel an der ausreichenden Informiertheit des Wahlvolkes und fordern Entscheidungseliten. Beides sei nicht geeignet, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie Gewaltenteilung, Mehrheitsbeschlüsse bei gleichzeitigem Schutz von Minderheiten etc. zu garantieren. Kaufmann zieht einen Vergleich zum Fußball: „Nach der Entscheidung ist vor der Entscheidung.“ Jeder Volksentscheid ist nur ein vorläufiger. Was es braucht, um eine Entscheidung in eine mehrheitsfähige praktikable Realität zu führen ist Zeit. Kaufmann:

Bis die „Daily Mirror“-Schlagzeile „We’re out“ Realität wird, werden Jahre vergehen. Und es werden viele neue kleinere oder grössere Abstimmungen erforderlich sein.

Viele Abstimmung über Jahre hinweg inklusive Abstimmung im Unterhaus wären aus Sicht des US-Amerikaners Kenneth Rogoff der richtige Weg gewesen, im Vorfeld das ‚In or Out‘ Großbritanniens seriös und demokratisch aufzubereiten. In der Zeitung Boston Globe kritisiert er heftig, dass die Hürden für eine Entscheidung dieser Tragweite viel zu niedrig waren. Die meisten Gesellschaften, so Rogoff, machen es Ehepartnern schwerer, sich scheiden zu lassen.

Er führt vor Augen, dass bei 70 % Beteiligung und 52 % Out-Stimmen nur 36 % der Bevölkerung für den Austritt gestimmt haben. Dies hält er nicht für demokratisch sondern für russisches Roulette. Eine absolute Mehrheit sei für Referenden mit derart schwerwiegenden Konsequenzen notwendig, um Stabilität zu ermöglichen. Nun gilt es, nicht nur auf das Ergebnis sondern auch auf den Prozess des Austrittes mit Sorgfalt zu achten.

Quellen und links

Wie gefährlich ist direkte Demokratie? Bruno Kaufmann, swissinfo.ch, 7. Juli 2016

Britain’s democratic failure, Kenneth Rogoff, Boston Globe, 24. Juni 2016

Der Spiegel, Nr. 27, 2.7.2016

Über Referenden auf 1-sicht

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1-sicht empfiehlt Lese-, Hör-, Sehstoff: Juli 2016

Lesestoff:
Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr

Ein provokantes Buch des Journalisten Wolfgang Koschnick, in dem er, so formuliert es Maicke Mackerodt auf Ö1,  den Abschied von einer Illusion zelebriert. Die Parteien seien die „letzten Dinosaurier“ und der Klotz am Bein der Demokratie geworden und „Berufspolitiker die Totengräber der Demokratie“.

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr
Bild: www.westendverlag.de

Rezension: Ö1, Sendung Kontext am 16.7.2016

Für die meisten Menschen ist die klassische Schulbuch-Demokratie das ideale Herrschaftssystem. Ein politisches System, das ihnen Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte garantiert. In dem die Gewaltentrennung das Volk davor schützt, dass ein Herrscher oder eine Partei die gesamte Macht an sich reißt. Soweit die Theorie. In der Realität hat sich quer durch alle modernen westlichen Demokratien Vertrauensverlust und Politikverdrossenheit breit gemacht. Gut die Hälfte der Wahlberechtigten geht in vielen Ländern nicht mehr wählen. Das Image von demokratisch gewählten Politikern dümpelt auch in Österreich auf historischem Tiefststand, sogar Banker, Immobilienmakler und Prostituierte rangieren in Umfragen vor ihnen.

Wolfgang Koschnick verachtet unverhohlen die Abgeordneten, Berufspolitiker und Parlamentarier. Sie sind für ihn willige Helfershelfer der Reichen und Superreichen und des Kapitals. Der Autor spart auf 290 Seiten nicht mit Schimpftiraden und drakonischen Bildern, spricht von Parlamenten als Abnickvereinen, vom demokratischen Staat als macht- und geldgierigem Monster, vom Würgegriff der Fraktionen. Wer Argumente für die Politikerschelte sucht, wird in der gut analysierten Zusammenfassung sicher fündig. Vieles ist aber nicht neu, denn der Journalist hat seine Thesen größtenteils schon vor drei Jahren in dem Onlinemagazin Telepolis veröffentlich. Auch wenn man sich beim Lesen weniger schwarz-weiß-Klischees wünscht und gelegentliche Wiederholungen nerven, hat Wolfgang Koschnick recht, wenn er feststellt, dass die Kluft zwischen Reich und Arm in allen Demokratien nahezu täglich größer wird und die demokratische Politik tatenlos zuschaut. Schön zu beobachten sei das auch im amerikanischen Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump.

Quellen und links

Radiosender Ö1

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr, Wolfgang Koschnick, Verlag Westend, 2016

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Zeitung heute: Redaktion oder Rechenzentrum?

Im Jahr 2013 kaufte Jeff Bezos, der 1994 den Online-Versandhändler Amazon gegründet hatte, die Tageszeitung The Washington Post. 1877 gegründet ist diese laut wikipedia die größte und die älteste noch erscheinende Tageszeitung in Washington. Sie war im Jahr der Amazon-Gründung 117 Jahre alt. Ihren Ruf als Hochburg des investigativen Journalismus verdankt sie insbesondere der Aufdeckung der sogenannten Watergate-Affäre durch die beiden Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein in den 1970er Jahren.

Seit Anfang der 2000er Jahre, so berichtet das Wirtschaftsmagazin brandeins in der Ausgabe vom Juli 2016, als der damalige Verleger Don Graham das renommierte Blatt als lokales Medium positionierte, verlor ‚die Post‘ an Terrain gegenüber online-Magazinen. Anderen Traditionszeitungen (z.B. Wallstreet Journal, Guardian) gelang es, sich im Netz zu etablieren und eine globale Leserschaft zu gewinnen, die Washington Post rang um Anschluss.

Vom Lokalblatt zum journalistischen Experiment

2013 wurden Don Graham und Jeff Bezos handelseinig. Letzterer übernahm die Zeitung als Privatmann um 250 Mio. US-Dollar.  Jeff Bezos, der bereits als 12-Jähriger ein rechnerisches Bewertungssystem zur Beurteilung seiner LehrerInnen entwickelte und das Ergebnis grafisch aufbereitete  (Der Allesvekäufer, Jeff Bezos und das Imperium von Amazon)

Wir werden ein großes Experiment starten: Wie kann man Nachrichten im digitalen Zeitalter verbreiten? Niemand weiß es, ich schon gar nicht. Wir wollen es herausfinden. (Bezos; brandeins, Juli 2016)

Nun herrscht Aufbruchstimmung.

  • Die Schreibstuben – pardon newsrooms – zogen in neue futuristische Gebäude.
  • 250 MitarbeiterInnen wurden aufgenommen: Journalisten und Software-Ingenieure (!)
  • Ein Rechenzentrum wurde mindestens so wichtig wie die Redaktionssitzungen.
  • Und dank desselben liefern sich seit Kurzem die online-Ausgabe der Washington Post und jene der New York Times Kopf-an-Kopf-Rennen in der Statistik der monatlichen unique visitors.

Gleich geblieben ist der hohe Anspruch an die journalistische Qualität. Für diese sorgt Chefredakteur Martin Baron,  der zuvor für den Boston Globe arbeitete und für diesen die Aufdeckungen über sexuelle Gewalt an Kindern durch katholische Priester vorantrieb. Der Fall wurde unter dem Namen ’spotlight‘ verfilmt und erhielt 2016 zwei Oscars (Bester Film und bestes Drehbuch).

Journalisten und Algorithmen

Was langjährigen Profis des Journalismus noch weh tut, ist für die junge Generation eine Selbsverständlichkeit: Berichtet wird darüber, was die geneigte LeserInnenschaft interessiert, womit sie sich – beispielsweie in social media – beschäftigt. Was das ist, finden Algorithmen heraus. Ebenso, woher die Zugriffe auf die website kommen. Natürlich auch, ob Konkurrenzblätter eine Geschichte früher veröffentlichten. Wo auf der website eine Geschichte ideal platziert ist, um möglichst hohe Zugriffsraten zu verzeichnen. Und welche Schlagzeile eines Artikels die ‚erfolgreichste‘ ist, also die höchsten Zugriffsraten generiert. Zu jedem Artikel müssen mindestens 4 verschiedene Überschriften geliefert werden.

In Rechenzentrum und Redaktion weiß man erstaunlich gut über die Leserin/den Leser Bescheid. Nicht nur ist bekannt, welches Gerät zum Lesen benutzt wird. Auch können die Techniker innerhalb von 3 Sekunden erkennen, ob dieses bei der Arbeit oder zu Hause, im Liegen, Sitzen, Gehen oder Stehen im Einsatz ist.  Entsprechend werden Empfehlungen angeboten.

Trotz der Lenkungsfunktion der Algorithmen sei nicht big data Auslöser für eine Recherche sondern zählen immer noch Instinkt und Professionalität der JournalistInnen, wird Baron in brandeins zitiert.

Man darf auf die Fortsetzung des Experiments gespannt sein. Eine Formel könnte lauten: Journalismus = Redaktion x Algorithmus.

Quellen und links

Wirtschaftsmagazin brandeins, Heft 07 Juli 2016

Über The Washington Post auf wikipedia

Der Allesverkäufer. Jeff Bezos und das Imperium von Amazon. Brad Stone

Über Jeff Bezos auf wikipedia

Über Journalismus auf 1-sicht

Medien: Spiegel der Gesellschaft mit Fähigkeit zu Selbstzweifeln

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Referenden als Ausdruck des Volkswillens oder der Volksemotion?

Die Bürger/innen Großbritanniens haben im Rahmen des Referendums ‚über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union‘ am 23. Juni 2016 mehrheitlich für das Verlassen der Union (‚Brexit‘) gestimmt. Nun werden die Austrittsprozesse und -verhandlungen zwischen EU und Großbritannien geführt.

Regieren Emotionen?

Dieses für viele politische Beobachter/innen überraschende und für geschichtsbewusste Menschen unerfreuliche Ergebnis wirft nun die Frage auf, inwieweit Referenden tatsächlich Ausdruck des Willens des Volkes, basierend auf Informiertheit und Faktenkundigkeit sind oder doch eher Ausdruck der Emotion des Volkes, basierend auf  diffuser Frustration und dem Gefühl, anders – irgendwie anders – wäre jedenfalls besser. Es heißt, die großen Boulevardmedien Großbritanniens und emotionsgeladene Aktionen in den sogenannten sozialen Medien hätten eine Stimmung erzeugt, in der Sachlichkeit zum Verlieren verdammt war.

In seiner Analyse ‚Risiko Referendum: Aus Frust wird Macht‘ auf Spiegel online vom 26.6.2016 schreibt Markus Becker von der drohenden ‚Diktatur der Wutmehrheit‘:  Bürger/innen verlieren das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Populisten, die sich für die wahren Vertreter/innen des Volkes halten, fordern mehr direkte Beteiligung.

Gelernte Österreicher/innen wissen, populistische Parteien arbeiten zudem mit Eifer daran, das Vertrauen in die Institutionen zu untergraben.

Gefahr: Demagogen statt Institutionen

Anscheinend, so Becker, steht das System der politischen Eliten vor seinem Ende. Dies könne aber nicht nur zu mehr Transparenz und Gerechtigkeit führen, sondern auch die Gefahr mit sich bringen, dass Demagogen das Ruder ergreifen.

Die Barrieren, die weitsichtige Verfassungsväter zwischen Volkswillen und Staatsmacht hochgezogen haben, werden porös. (Becker, Spiegel online 26.6)

Schon Platon habe in seiner ‚Politeia‘ davor gewarnt, dass immer größere Freiheit und Gleichheit letztlich dazu führt, dass niemand mehr Autoritäten anerkenne  und am Ende ein Demagoge sich zum Alleinherrscher aufschwinge.

Daher sind in den meisten Demokratien der direkten Machtausübung durch das Volk mittels Parlamenten, Parteien, Gerichten, Behörden Grenzen gesetzt.

Referenden als Instrumente der direkten Demokratie

Referenden als Abstimmung aller wahlberechtigten Bürger/innen zu einem Thema sind in vielen Demokratien vorgesehen. Wikipedia bietet die folgende Definition an:

Abstimmung aller wahlberechtigten Bürger über eine vom Parlament, von der Regierung oder einer die Regierungsgewalt ausübenden Institution erarbeiteten Vorlage. Es ist damit ein Instrument der direkten Demokratie. Da sich in einem Referendum die gesamte Wahlbevölkerung unmittelbar zu einer politischen Frage äußern kann, wird das Ergebnis der Abstimmung mit einem hohen Maß an politischer Legitimität ausgestattet.

Im Unterschied dazu ist eine Volksabstimmung/ein Volksentscheid eine Abstimmung über eine vom Volk initiierte Frage.

Diesen Definitionen folgend wäre Österreichs Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wohl korrekterweise als Referendum zu bezeichnen.

Die Fragestellung lautete:
„Soll der Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom 5. Mai 1994 über das Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union Gesetzeskraft erlangen?“ (Quelle: BMI)

Quellen und links

Spiegel online vom 26.6.2016

Definition Referendum auf wikipedia

Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union – wikipedia

Volksabstimmungen in Österreich – Bundesministerium für Inneres BMI

Politeia von Platon – wikipedia

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Menschenrechte – Artikel 13: Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit

1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

Erläuterungen zu Artikel 13: Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit

Laut der Menschenrechtsplattform humanrights.ch garantiert dieser Artikel das Recht auf Freizügigkeit (= das Recht auf freie Bewegung und freie Wohnsitznahme innerhalb eines Staates) und Auswanderungsfreiheit. Durch spätere Menschenrechtsverträge sei dieses Recht einschränkender formuliert worden. Gesetze eines Staates können vor allem für Ausländer/innen gewisse Schranken aufstellen.

Allerdings ist z.B. verboten:

  • die Vertreibung von Menschen aus einem Gebiet des Staates
  • die Beschränkung der Reisefreiheit innerhalb eines Staates aus politischen Gründen
  • die zwangsweise Zuweisung von Minderheiten in umgrenzte Lebensräume.

Quellen und links

Amnesty International

Informationsplattform humanrights.ch

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Über Menschenrechte auf 1-sicht

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Die Welt ist weniger friedlich geworden – Global Peace Index 2016

81 Staaten sind friedlicher geworden, 79 haben sich negativ entwickelt und insgesamt ist der Friede offensichtlich auf dem Rückzug. Das sagen die jüngst veröffentlichen Erkenntnisse des IEP (Institute for Economics and Peace). Der Global Peace Index (GPI) hat sich demzufolge um 0.53 % verschlechtert. Die Ursachen sind

  • Rückgang gesellschaftlicher Sicherheit
  • Fortdauer sowie Zunahme von Konflikten
  • terroristische Ereignisse
  • politische Instablilität

Die deutlichste Verschlechterung erlebte die Region Mittlerer Osten und Nordafrika, die ohnehin bereits zur konfliktreichsten Region der Welt zählt. Dies ist zurückzuführen auf

  • zahlreiche regionale Konflikte, die weiter eskalierten
  • neu aufgetretene Konflikte
  • die Ausdehnung des Bürgerkrieges in Syrien seit der Intervention Russlands im September 2015
  • der mit Intervention Saudi Arabiens fortgesetzte Bürgerkrieg im Jemen
  • und die US-geführten Luftangriffe gegen IS (Islamischer Staat) im Irak, die nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 intensiviert wurden.

Gesellschaftliche Sicherheit

Hinsichtlich gesellschaftlicher Sicherheit ist eine leichte Verbesserung wahrnehmbar. Ausgenommen sind der Mittlere Osten und Nordafrika sowie Südamerika, wo ein Anstieg an Kriminalität verzeichnet wurde.

Die diesbezüglich am schlechtesten gestellten Regionen sind Südamerika, Zentralamerika und Karibik. Einzig beim Indikator Inhaftierungsrate weisen die USA sowie der Mittlere Osten und Nordafrika höhere (= schlechtere) Werte auf.

Interne und internationale Konflikte

In Russland und Eurasien stieg die Zahl der Toten, die auf nationale (interne) Konflikte zurück gehen. Vor allem der Ukrainekonflikt schlägt hier zu Buche. Auch in Syrien, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen ist ein Anstieg in Zahl und Dauer interner Konflikte zu verzeichnen.

Eine noch deutlichere Verschlechterung zeigt sich bei Zahl und Dauer internationaler (externer) Konflikte mit negativen Auswirkungen auf den Friedensindex in fast allen Regionen – insbesondere in Nordamerika aufgrund dessen Rolle im Mittleren Osten und in Afghanistan.

Terrorismus

Auswirkungen von Terrorismus hatten negativen Einfluss in 77 Staaten, 48 verzeichneten eine Verbesserung und nur 37 der 163 untersuchten Staaten waren nicht von terroristischen Ereignissen betroffen.

Wiewohl Europa aufgrund der terroristischen Geschehen eine Verschlechterung seiner Friedenssituation hinnehmen musste, ist es immer noch die friedlichste Region der Welt.

Politische Instabilität

Ungünstig fällt das Ergebnis für die politische Stabilität aus, die sich in 39 Staaten im Vergleich zu 2015 verschlechtert hat, besonders in Brasilien aufgrund eines großen Korruptionsskandals. Bislang hat die Zunahme an Instabilität nicht zu mehr Gewalt geführt – mit Ausnahme in den Regionen Südasien, Mittlerer Osten und Nordamerika sowie Subsahara-Afrika – allesamt Regionen, die ohnehin bereits schlecht gestellt sind

Österreich auf Platz 3 der friedlichsten Länder der Welt

Hinter Island und Dänemark belegt Österreich 2016 Rang drei der friedlichsten Länder, gefolgt von Neuseeland auf Platz 4 – genauso wie 2015 und 2014. 2013 war Neuseeland auf Platz 3, Österreich auf Platz 4.

Rangordnung und Punkteanzahl für das Jahr 2016

  1. Iceland 1.192
  2. Denmark 1.246
  3. Austria 1.278
  4. New Zealand 1.287
  5. Portugal 1.356
  6. Czech Republic 1.360
  7. Switzerland 1.370
  8. Canada 1.388
  9. Japan 1.395
  10. Slovenia 1.408

Vollständige Tabelle für die Jahre 2008 bis 2016 (Global Peace Index Ranking): wikipedia

Quellen und links

Institute for economics and peace

Vision of humanity

Global Peace Index – wikipedia

Institute for economics and peace – wikepedia

Friedensforschung und Terrorismusindex – 1-sicht

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Stumpft Europa ab? 2016 schon 2.400 tote Flüchtlinge im Mittelmeer

‚Flüchtlinge – das tödlichste Jahr‘ (Zeit online, 31.5.2016)

‚Ertrunkene Flüchtlinge: Helfer bergen Babyleiche im Mittelmeer‘ (Spiegel online, 30.5.2016)

‚IOM warnt – Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge stark gestiegen‘ (MIGAZIN, 15.2.2016)

Schlagzeilen wie diese gehören mittlerweile zum Alltag in europäischen Medien. Haben wir uns daran gewöhnt? In seinem Kommentar für Spiegel online am 31.5.2016 konstatiert Maximilian Popp, dass die Menschen in Europa von dem mannigfachen Sterben im Mittelmeer nicht mehr berührt werden.

Ertrunkene Babys: zwei ähnliche Fotos – sehr unterschiedliche Reaktionen

Das eine Foto zeigt das tote Flüchtlingskind Alan Kurdi. Die türkische Journalistin Nilüfer Demir veröffentlichte es im September 2015. Es löste weltweite Reaktionen aus, sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in der Politk.  Zum Beispiel – so Popp – brach der kanadische Migrationsminister seinen Wahlkampf für eine Krisensitzung ab und Ahmet Davutoglu, damals türkischer Regierungschef, drängte die Europäer zur Zusammenarbeit in der Asylpolitik.

Das andere Foto zeigt einen Flüchtlingshelfer auf einem Boot im Mittelmeer, im Arm ein totes Baby. Die Organisation Sea-Watch veröffentlichte es im Mai 2016. Keine Politikerin, kein Politiker äußerte sich bislang dazu.

Nach Schätzungen seien in den vergangenen 15 Jahren mindestens 30.000 Menschen auf der Flucht nach Europa gestorben. IOM (International Organization for Migration) zählte allein für 1. Jänner bs 29. Mai 2016 über 2.440 Tote oder Vermisste. Die EU – Friedensnobelpreisträgern 2012 – schottet sich ab. Und sieht dem Sterben zu?

Das schlimmste Jahr im Mittelmeer?

Grafik: Zeit online, 31.5.2016, Sascha Venohr; Quelle: IOM Stand: 30.Mai 2016
Grafik: Zeit online, 31.5.2016, Sascha Venohr; Quelle: IOM Stand: 30.Mai 2016

Zum Abschluss eine weitere Schlagzeile:

Mittelmeer: Statistik des Schreckens‚ (www.unhcr.de)

Der Artikel ist vom 2.10.2014. Er beginnt wie folgt:

Neue Daten zeigen einen alarmierenden Anstieg von irregulären Überfahrten über das Mittelmeer nach Europa im dritten Quartal 2014.

Danach haben auf diese Weise 90.000 Menschen Europa zwischen dem 1. Juli und 30. September 2014 erreicht, mindestens 2.200 Menschen starben bei dem Versuch. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurden 75.000 Menschen und 800 Tote gezählt. Mit anderen Worten: Das Risiko, sein Leben bei der gefährlichen Überfahrt zu verlieren, hat sich statistisch gesehen verdoppelt.

Quellen und links

Zeit online, 31.5.2016: Flüchtlinge – das tödlichste Jahr

Spiegel online, 31.5.2016: Flüchtlingsdrama im Mittelmeer – abgestumpft

Spiegel online, 30.5.2016: Ertrunkene Flüchtlinge: Helfer bergen Babyleiche im Mittelmeer

MIGAZIN, 15.2.2016: IOM warnt – Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge stark gestiegen

International Organization for Migration (IOM)

UNHCR, 2.10.2014: Mittelmeer – Statistik des Schreckens

Friedensnobelpreis für EU auf 1-sicht

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Nadia Murad: eine der 100 einflussreichsten Personen

Alljährlich kürt das Magazin TIME die seiner Einschätzung nach einflussreichsten Persönlichkeiten – dieses Jahr veröffentlicht in der Ausgabe vom 2. – 9. Mai 2016. Ernannt sind Frauen und Männer in den Kategorien

  • Pioniere
  • Titanen
  • Künstler
  • Führungspersönlichkeiten
  • Ikonen

Die jeweils Erstgenannten sind

  • Pioniere: Lin-Manuel Miranda, 36 Jahre, Broadway Star.
  • Titanen: Priscilla Chan und Mark Zuckerberg, beide 31 Jahre, Philantropen
  • Künstler: Priyanka Chopra, 33, Schauspielerin
  • Führungspersönlichkeiten: Christine Lagard, 61 Jahre, IWF
  • Ikonen: Leonardo Dicaprio, 41 Jahre, Schauspieler und Umweltschützer

Nadia Murad – eine Zeugin der Kriegsgräuel in Syrien

Nadia Murad ist in der Kategorie Pioniere genannt.  Die Angehörige der Jesiden   hat trotz ihrer erst 23 Jahre eine unvorstellbare Leidensgeschichte als mehrfaches Opfer des Kriegsgeschehens in Syrien erlebt. Mit 19 Jahren verlor sie ihr Zuhause, ihr Land, ihre Kultur. Ihre Mutter wurde ermordet und sie musste mit ansehen, wie männliche Verwandte umgebracht wurden. Sie selbst wurde entführt, verkauft und ungezählte Male von ISIS-Mitgliedern vergewaltigt.

Nun reist sie um die Welt, um diese auf den Genozid, der an ihrem Volk begangen wurde und begangen wird, aufmerksam zu machen. 3000 Jesidinnen sind immer noch in Gefangenschaft der ISIS.

2015 sprach Murad in New York im Rahmen des ersten Treffen des UN Sicherheitsrates betreffend Menschenhandel und erzählte ihre persönliche Geschichte.

Nun, da Europa seine Grenzen gegenüber terrorisierten Flüchtlingen schließt und auch die USA sich abwendet – vergessend, dass es der US-geführte Krieg im Irak war, der ISIS groß machte; dass es zurückgelassene US-Waffen sind, die in die Hand von ISIS gelangten – zählt Nadia Murad zu den wichtigen Stimmen, die auf die Verantwortung der Welt gegenüber dem jesidischen Volk aufmerksam machen.

Quellen und links

TIME, 2.-9 Mai 2016; Der   Beitrag „Nadia Murad: A witness for war’s victims“ ist von Eve Ensler, Dramatikerin und Schriftstellerin, und hier in zusammengefasster Übersetzung wiedergegeben.

Über Jesiden auf wikipedia

Über Sklaverei auf 1-sicht

Über Eve Ensler auf wikipedia

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1-sicht empfiehlt Lese-, Hör-, Sehstoff: Mai 2016

Lesestoff:
Norbert Reuter: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität

„Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen“ bietet die 2007 in zweiter Auflage erschienene Sammlung ökonomischer Essays WACHSTUMSEUPHORIE UND VERTEILUNGSREALITÄT, erarbeitet und zusammengestellt von Norbert Reuter.

Texte von John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief scheinen aktueller denn je. Reuters datenbasierte Analysen legen schlüssig nahe, dass das Wachstumscredo abzulösen ist. Wachstum löst wirtschaftliche Probleme in bestimmten Phasen, Entwicklungsstadien von Volkswirtschaften, in anderen Phasen braucht es andere Rezepte.

Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder, Essay von J. M. Keynes

1-sichts Textfavorit „Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“ von J.M. Keynes, erstmals 1928 als Rede gehalten, 1930 zu einer Vorlesung  erweitert, beginnt mit einer Feststellung, die auch in diesen Tagen auf Zustimmung treffen dürfte:

Wir leiden gerade unter einem schweren Anfall von wirtschaftlichem Pessimismus. Sehr häufig hört man die Leute sagen, dass die Epoche des enormen wirtschaftlichen Fortschrittes, ……, nun vorüber sei; …. ; dass ein Rückgang des Wohlstandes in dem vor uns liegenden Jahrzehnt wahrscheinlicher sei als eine Steigerung.

Und weiter:

Nun ist es wahr, dass die Bedürfnisse der Menschen unersättlich zu sein scheinen. Aber sie zerfallen in zwei Klassen – solche Bedürfnisse, die absolut in dem Sinne sind, dass wir sie fühlen, wie auch immer die Situation unserer Mitmenschen sein mag, und solche, die relativ in dem Sinne sind, dass wir sie nur fühlen, wenn ihre Befriedigung uns über unsere Mitmenschen erhebt, uns ein Gefühl der Überlegenheit gibt.

Keynes regt an, den „Geldtrieb“, die Akkumulation von Reichtum zu hinterfragen und nach seinem wahren Wert einzuschätzen: „als Liebe zum Geld an sich oder als Liebe zum Geld als einem Mittel für Freuden und wirklichen Dinge des Lebens.“

Quellen und links

Metropolis-Verlag, Marburg 2007: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität

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Wie können wir unsere freiheitliche Staatsform, unsere Freiheit schützen?

Die Anschläge in Brüssel auf U-Bahn und Flughafen am 22. März 2016 lassen uns einmal mehr entsetzt und ratlos zurück. Politikerstellungnahmen – so kommentiert es Rolf Clement in seinem Artikel „Terror-Prävention –  Mehr Freiheit durch mehr Überwachung“ auf Deutschlandfunk.de – klingen nach derartigen Ereignissen stets gleich. Und sie hätten Recht: „Ja, es ist ein Anschlag auf unsere Lebensweise, auch auf Europa, es ist ein gemeiner hinterhältiger Anschlag,“

Spannungsverhältnis Freiheit : Sicherheit

Was sind die Konsequenzen? Eine nicht neue Forderung sei, den Informationsaustausch zwischen den Ländern zu verbessern. Dies scheitere unter anderem an den unterschiedlichen sicherheitstechnischen Kulturen in den Ländern. Die einen, so Clement, lösen das Spannungsverhältnis zwischen einer eher freiheitlichen Staatsorganisation und dem Vorrang für Sicherheit zu Gunsten der Sicherheit auf, andere – wie Deutschland – eher zu Gunsten der Freiheit.

Um gefährdete Bereiche gezielter schützen zu können, sei es zudem notwendig, über ausreichend und ausreichend gut ausgebildete Sicherheitskräfte zu verfügen. Es klinge paradox, aber nur so können wir die freiheitliche Staatsform erhalten. Clement weist aber auch darauf hin, dass unser Verhalten, dass die Terrorvorsorge nicht bereits erste Erfolge der Terroristen sein dürfen, indem die Gesellschaften weniger frei werden. Die aktuellen Sorgen vor weiteren Anschlägen seien berechtigt, sie dürfen allerdings nicht zum beherrschenden Maßstab unseres Handelns werden. (Quelle: deutschlandfunk.de)

Quellen und links

Deutschlandfunk 22.3.2016

Was zeichnet eine offene Gesellschaft aus – 1-sicht

Friedensforschung und Terrorismusindex – 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand