Lesbos – kleine Insel, große Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge

Diverse Präsidentschaftswahlen (USA, Österreich) und das stete Bemühen zahlreicher österreichischer PolitikerInnen, asylsuchende Menschen unter Hinweis auf Notstände von Österreich fern zu halten, lässt unter Umständen übersehen, dass

a) zum Beispiel  in Syrien nach wie vor Krieg ist

b) Menschen nach wie vor versuchen, ihr Leben und das ihrer Lieben zu retten

c) die sogenannte Flüchtlingskrise somit nach wie vor besteht (nur  für Österreich weniger unmittelbar ist als im Vorjahr)

d) anderenorts Menschen nach wie vor sehr unmittelbar solidarisch gefordert sind und sich um jene Menschen kümmern, die die Fahrt über das Mittelmeer bewältigen konnten.

Einer dieser Orte ist die griechische Insel Lesbos, die jüngst in den Medien hierzulande sehr knapp  erwähnt war, weil in einem Flüchtlingscamp in Moria Feuer ausgebrochen ist, bei dem eine 66-jährige Frau und ein 6 Jahre altes Kind ums Leben kamen.

Lesbos für Friedensnobelpreis nominiert

Im August 2012 kamen die ersten Flüchtlinge in Booten auf Lesbos an. Seitdem hat sich das Leben auf der bei TouristInnen beliebten Insel erheblich verändert. Trotz der großen Krise, die Griechenland selbst durchmachte, entwickelten die Menschen auf Lesbos eine tatkräftige Hilfsbereitschaft  – in Ausmaß und  Ausdauer derart vorbildlich, dass sie für den Friedensnobelpreis 2016 nominiert wurden. Dieser ging zwar an den Präsidenten von Kolumbien, doch zwei  der vielen Personen, die sich auf Lesbos humanitär engagieren (Kapitän Konstantinos Mitragas und Efi Latsoudi), wurden mit dem UNHCR’s Nansen Preis 2016 ausgezeichnet.

Alte Frauen kochten, kümmerten sich um Babys, halfen beim Wäsche waschen. Jüngere Menschen etablierten selbst organisierte Flüchtlingsunterkünfte.  Lokale Fischersleute retteten Scharen von Menschen aus dem Wasser. Der Fotograf Daniel Etter schuf diesen Menschen mit seiner Ode an Lesbos ein berührendes Denkmal, das ob etwaiger eigener Untätigkeit auch eine gewisse Beschämung auszulösen im Stande ist.

Mit Status September waren es 93.600 Flüchtlinge, die allein 2016 auf Lesbos ankamen.  Das sind etwas mehr Menschen, als auf der Insel leben. Die meisten Ankommenden versuchten, nach Athen zu ziehen. Mehr als 6.000 Asylsuchende leben auf Lesbos.

Lesbos
Kapitän Konstantinos Mitragas und Efi Latsoudi erhielten den UNHCR’s Nansen Preis für ihr humanitäres Engagement, Quelle: The Guardian, Photograph: Gordon Welters/UNHCR

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Lesbos scheinen ihre Hilfsbereitschaft als Selbstverständlichkeit zu verstehen. Das – so ein Erklärungsversicht – liege daran, dass sie selbst von Flüchtlingen abstammen. Rund 60 % der 90.000 EinwohnerInnen sind Nachfahren jener 1,2 Millionen Griechisch Orthodoxen Christen, die in den 1920er Jahren aus der Türkei vertrieben wurden.

Quellen und links

The Guardian, 25.November 2016

Ode an Lesbos: The Guardian, 5. Oktober 2016

The Guardian, 6. September 2016

Friedensnobelpreis

UNHCR Nansen Award

Leseempfehlung von 1-sicht: Navid Kermani, Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa

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