Wessen die Marktmacht, dessen die Spielregeln?

Wer definiert in der globalisierten Handelswelt die Spielregeln? Sind es die (mehr oder weniger) demokratisch legitimierten Regierungen oder sind es die Konzerne selbst, die sich die Spielregeln geben – ungeachtet von Arbeits- und Menschenrechten?

Gemäß dem Befund des KONZERNATLAS 2017-Daten und Fakten über die Agrar- und Lebenmittelindustrie ist in dieser Branche die Macht der Konzerne erheblich. Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führt die Liberalisierung in der Agrarindustrie zu einer zunehmenden Oligarchisierung. Innerhalb jener Wirtschaftszweige, die der eigentlichen Agrarproduktion vor- bzw. nachgelagert sind, entwickeln sich insbesondere nach dem 2. Weltkrieg durch den Abbau von Handelshemmnissen einerseits und horizontalen wie vertikalen Übernahmen andererseits einige wenige global agierende Konzerne, die reichlich Einfluss auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen nehmen. Vorgelagerte Zweige sind beispielsweise  Produktion von Landmaschinen, Dünge- und Unkrautvertilungsmittel, nachgelagert ist insbesondere der Handel. Seit den 1980er Jahren sind diese Konzerne zunehmend weltweit tätig. Im Zuge des zu dieser Zeit aufkommenden Neoliberalismus, einer wirtschaftspolitischen Strömung, „die soziale Sicherheit im Namen des ökonomischen Primats opfere“ (wikipedia), werden in Entwicklungsländern staatliche Kontrollen über Rohstoffmärkte sowie Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut.

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Quelle: www.oxfam.de

Einige wenige Konzerne bestimmen die Trends in der Landwirtschaft und beim Nahrungsmittelkonsum. Laut KONZERNATLAS 2017 sind die umsatzstärksten Konzerne die folgenden (Daten aus 2015)

Industrie (Agrarproduktion und Lebensmittel)

  1. Nestlé
  2. PepsiCo
  3. JBS
  4. Coca-Cola
  5. Anheuser-Busch InBev

Handel (Food und Non-Food)

  1. Wal-Mart
  2. Cargill
  3. Costco
  4. Kroger
  5. Tesco

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Quelle: www.bund.net

Konzerninteressen stechen Arbeits- und Menschenrechte

Regierungen in Industrieländern folgen der Konzernlogik, die besagt, dass der Abbau von Handelshemmnissen sein müsse, um internationale Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen. Sie verzichten auf wettbewerbsrechtliche Regelungen, die das Markt- und damit das Machtgefüge ausgleichen könnten. In manchen Ländern, darunter USA, wurden die Wettbewerbsordungen, die den Missbrauch marktbeherrschender Stellung, monopolbildende Fusionen, Kartellbildungen etc. verhindern sollten, sukzessive aufgeweicht (Deregulierung).

Zwar hat die Zivilgesellschaft erreicht, dass bezüglich Konsumentenschutz Bestimmungen in Kraft und einklagbar sind. Bezüglich fairer Bedingungen innerhalb der Lieferkette verlassen sich die Staaten jedoch auf freiwillige Verpflichtungen der Konzerne, die wohlklingend aber nicht einklagbar sind. Die Konzerne selbst sind bis in UN-Institutionen hinein vernetzt und gestalten Handelsabkommen eifrig und naturgemäß in ihrem Sinne mit.

Der KONZERNATLAS geht davon aus, dass Verletzungen der Arbeitsrechte in der Landwirtschaft der Regelfall sind. ILO-Normen geben zwar den ArbeiterInnen Rechte, sich zu organisieren,  Gewerkschaften zu bilden, verbietet Kinderarbeit; Artikel 20 der Allgemeinen Menschenrechte gewährt die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Doch Ansätze, diese Rechte durchzusetzen, werden oft brutal unterdrückt.

Forderungen an Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte

Was selbstverständlich sein sollte – dass Konzerne sich an die Menschenrechte halten – wird seit den 1990er Jahren seitens zivilgesellschaftlicher Initiativen verstärkt gefordert, unter anderem:

  • globale Regeln für Unternehmen, verankert bei den Vereinten Nationen
  • Verpflichtung der Staaten, Menschenrechte auch außerhalb der eigenen Grenzen zu schützen. Damit wären Staaten verpflichtet,  auf ihrem Staatsgebiet ansässige private Akteure an Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern zu hindern.
  • Implementierung eines internationalen Mechanismus, der Konzerne zur Rechenschaft ziehen kann.

Quellen und links

Konzernatlas 2017,
Herausgeber: Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stifung, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Oxfam Deutschland, Germanwatch, Le Monde diplomatique

Neoliberalismus – wikipedia

International Labour Organisation ILO

Versammlungs – und Vereinigungsfreiheit Artikel 20 AEMR – auf 1-sicht

Über Menschenrechte – auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.

1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand