Der Kampf zwischen Globalismus und Nationalismus

Jene Kräfte, die den Nationalismus im Westen zu einer Krise werden ließen, globalisieren sich. So lautet Ian Bremmers Befund im Magazin Time vom 22. Mai 2017 (‚The wave to come‘). Die Wahlergebnisse der jüngeren Vergangenheit – der pro-europäische Emmanuel Macron wird im April in Frankreich zum Präsidenten gewählt, bei den Wahlen in den Niederlanden im März bleibt entgegen den Vorwahlprognosen „der Triumph des Rechtspopulisten Geert Wilders aus“ (www.uni-muenster.de) – sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Krieg zwischen Globalismus und Nationalismus gerade begonnen hat.

Man blicke auf Ungarn und Polen, die zunehmend illiberal werden. Die Brexit-Verhandlungen schicken sich an, übel zu werden. Anti-EU-Haltungen innerhalb Europas nehmen zu. Trumps Affinität zu autoritären Führern wie Türkeis Recep Tayyip Erdogan, Ägyptens Abdul Fattah al-Sisi und Rodrigo Duertes von den Philippinen seien Zeichen von Umbrüchen.

Ursachen für Nationalismus

Der Nationalismus, so Bremmer, ist lebendig, weil die Probleme, die ihn hervorbrachten, ungelöst sind. Eine wachsende Anzahl an Menschen in den reichsten Ländern der Welt fürchtet, dass die Globalisierung ausschließlich dem Wohl der Elite dient, der Nationen und Grenzen einerlei sind. Wie die Finanzkrise sich von Europa ausgehend auf die ganz Welt ausbreitete, werde dies auch der Nationalismus tun. Mit unvorhersehbaren Folgen in Staaten, in denen die Regierungen schlechter gerüstet sind, die Institutionen schwächer sind, als jene in den europäischen Staaten und der USA.

Das Aufkommen einer Mittelschicht ist eine Errungenschaft der Geschichte. Milliarden Menschen konnten Armut hinter sich lassen und erhielten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Doch noch gilt das nicht für alle Menschen. Die Zurückgelassenen sehen zunehmend deutlich, was ihnen entgeht, und sind zur Migration bereit. Die Mittelschicht in der westlichen Welt ist durch Auslagerung von Produktionsstätten und technologischen Veränderungen der Arbeitswelt vom Rückfall in die Armut bedroht. Zugleich ist sie mit Zuwanderern aus fernen, fremden Weltgegenden mit anderen ethischen und religiösen Vorstellungen, anderen Sprachen, anderem Aussehen konfrontiert. Das fügt der Angst vor Wohlstandsverlust die Angst vor Identitätsverlust hinzu.

Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft wird mit dem Gini-Koeffizient gemessen. In China, Brasilien, Mexiko und Saudi Arabien ist er hoch, die Ungleichheit also groß. Was mag zum Beispiel in Saudi Arabien mit seiner stark wachsenden Bevölkerung und seiner großen Zahl junger Menschen geschehen, wenn zunehmende Bevölkerungsanteile vom Wohlstand ausgeschlossen bleiben?

nationalistische Lösungsansätze

Im Westen setzen nationalistische PolitikerInnen auf das (vermeintliche) Versprechen, ‚das Volk‘ gegen die ‚rücksichtslosen Eliten‘, gegen ‚die Fremden‘ zu schützen. Sie zeichnen das Bild vom ‚Wir‘ gegen ‚Die‘. Anderswo taugen zum ‚Die‘ auch andere Länder, was rasch in einen militärischen Konflikt ausarten kann.

Als Lösung wird das Bauen von Mauern – tatsächlichen wie strukturellen – angepriesen:

In China beispielsweise, wird an einem Modell gearbeitet, Gutpunkte für ökonomisches und soziales Wohlverhalten zu vergeben. Ziel: die Entwicklung einer ‚harmonischen Gesellschaft‘ .

In Indien hat die Regierung biometrische Daten von über 900 Millionen BürgerInnen für ihr ’nationales Identitätsprogramm‘ gesammelt.

alternative Lösungsansätze

In Finnland erhalten testweise 2000 Arbeitslose ein Grundeinkommen von netto ca. 600 US-Dollar (rund 530 Euro). Sollten die EmpfängerInnen Arbeit finden, dürfen sie weiterhin Grundeinkommen beziehen. Dem Experiment liegt folgende Annahme zugrunde,

  • zukünftige Arbeitsformen werden zunehmend auf Teilzeit- oder selbstständiger Basis sein
  • ein Grundeinkommen erhöht die Bereitschaft , sich auf Teilzeit oder Selbstständigkeit einzulassen
  • die für den Transfer von Sozialleistungen bisher nötige Bürokratie kann reduziert werden.

In Kanada, Niederlanden, Schottland und Oakland/Kalifornien planen lokale Regierungen ähnliche Experimente.

Singapurs Regierung schuf ein individuelles Lern-Konto, um jede Bürgerin, jeden Bürger über 25 mit Finanzmitteln für Ausbildung zu versorgen.

Bremmers Appell: Mit den Ursachen für Populismus umzugehen ist eine ähnlich große Herausforderung, wie die Ursachen des Klimawandels in Griff zu bekommen. Beiden Herausforderungen muss man sich stellen. Andernfalls überhitzt die Welt und nehmen die Spannungen zu. Und diesbezüglich sitzen wir alle im selben Boot.

Quellen und links

TIME, 22. Mai 2017, Artikel ‚The wave to come‘

TIME online

Uni Münster

Gini-Koeffizient auf wikipedia

zu Populismus auf 1-sicht:

Das Desktruktive in der Normalität

Populisten und ihr demagogisches Panorama

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand