Das Internet, zwar zu militärischen Zwecken entwickelt, versprach, als es sich von der Welt der Militärs emanzipiert hatte, Transparenz, vollständige Information für alle und eine demokratischere Gesellschaft weltweit. Mittlerweile ist die Nachrichtenlage im Netz mehr als undurchsichtig und Kriminalität hat sich von der realen Welt in den Cyberspace verlagert. Marc Goodman, der einer der profiliertesten Experten in Fragen der Cybersicherheit ist und als solcher für das FBI arbeitet, gibt Einblicke:
Mark Zuckerberg hat eine Vision: Er will es uns ermöglichen, uns zu Gemeinschaften zusammenzufinden. Er entwickelt dafür eine Plattform: Facebook. Er stellt sie den Gemeinschaftssuchenden gratis zur Verfügung.
Manche nennen das Geschäftsmodell. Sogar Geschäftsmodell aller Geschäftsmodelle, denn die Plattform generiert den für den modernen Markt notwendigen Treibstoff – Personendaten – kostenlos.
Mit knapp 70 Aktionen auf Facebook (likes, shares, Kommentar etc.) wissen die Algorithmen dieses sozialen Mediums mit sehr hoher Treffsicherheit, ob diese Aktion von einem weißen oder schwarzen Mann, einer jungen oder alten Frau, einem Menschen mit homo- oder heterosexueller Neigung, Vorliebe für Langhaar- oder Kurzhaarschnitte etc. getätigt wurden.
Facebook bemüht sich darüber hinaus, seine Menschenkenntnis zu erweitern, und greift auf Daten außerhalb des eigenen Netzwerkes zu. Selbstlos erwirbt es weiters Informationen bei alteingesessenen Datenhändler, wie Acxiom, das in der Zeit von Adress- und Telefonnummernhandel groß wurde, oder Transunion und Experian, Wirtschaftsauskunfteien mit Fokus auf Kredit- und Gesundheitsindustrie.
Getreu der Vision, Menschen die Gemeinschaftsbildung zu ermöglichen, stellt Facebook seine Menschenkenntnis Unternehmen zur Verfügung, damit diese in gewinnbringende Beziehungen treten können.
Und nun steht Zuckerberg weltweit in der Kritik. Vor dem US-Kongress muss er Rede und Antwort stehen. Der knapp 34-Jährige immer noch jungenhaft wirkende Multimilliardär tauscht legeren Pullover gegen Anzug und Krawatte und zeigt sich reumütig. Er habe, so sein Eingeständnis, zu wenig darauf geachtet, dass die Daten der gemeinschaftssuchenden Menschen Facebooks Geheimnis bleiben. Es sei seine Schuld, nicht verhindert zu haben, dass diese in die Hände respektive Rechner und Algorithmen einer politischen Beratungsfirma gerieten. Diese hat die facebooksche Menschenkenntnis genutzt, um den US-Wahlkampf (2016) sowie die Abstimmung in Großbritannien über Verbleib in oder Verlassen der EU (2015) zu beeinflussen. Ihr Name: Cambridge Analytica.
2018 wissen wir längst, wie die Entscheidungen hüben wie drüben des Atlantik ausgefallen sind. Donald Trump ist Präsident der USA, die Briten votierten für den Austritt aus der EU (Brexit). Trump wie Nigel Farage, Promotor der Brexit-Kampagne, warben ganz gezielt für ihr jeweiliges Anliegen. Wobei Ziel nicht mehr Zielgruppen waren, Einheiten von Personen, die nach Alter, Einkommen, Sinus-Milieu oder sonst einem Merkmal oder Merkmalmix zusammengefasst wurden. Ziel war das Individuum (Mikrotargeting). Die von Cambridge Analytica auf Basis der Datenspuren, die man in Facebook und dessen sozialen Geschwistern wie Instagram, Whatsapp, Masquerade etc. hinterlässt, entwickelten Persönlichkeitsprofile hielten dem Realitätstest offensichtlich Stand, die punktgenaue Werbung und Argumentation, abgeleitet aus den persönlichen Einstellungen und Vorlieben der Person, fruchtete.
Es ist Zeit zu begreifen, dass man als Nutzer der sozialen Medien nicht Kunde, sondern Produkt ist. Man zahlt ja auch kein Geld für deren Nutzung.