„Die Welt schwimmt in Geld.“
„Apple sitzt auf etwa 250 Milliarden US-Dollar an Barmittel und weiß offenbar nicht genau, was damit geschehen soll.“
Mit diesen Aussagen leitet Aaron Sahr, Wissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung seinen Artikel ‚Der wunderbare Geldschalter‘ (Le Monde diplomatique vom 7.9.2017) ein. Darin geht er der kapitalproduzierenden Dynamik von Bankgeschäften, die nicht auf Vermögenswerten basieren, auf den Grund.
Neben Unternehmen verdienen die Banken selbst in jüngster Zeit wieder kräftig. Die 10 größten US-amerikanischen Banken verdienen so gut wie vor der Zeit der sogenannten Finanzkrise (vor 2007): zusammen etwa 30 Milliarden Dollar pro Vierteljahr. Laut Credit Suisse verzeichnet auch das globale private Vermögen neue Rekordwerte: 256 Billionen Dollar in 2016
Das Vermögen jedoch ist ungleich verteilt. Seit den 1970er Jahren hat in den sogenannten entwickelten Volkswirtschaften die Konzentration von Vermögen in der Hand einiger weniger deutlich zugenommen. Die Maßzahl für Ungleichverteilung, der Gini-Koeffizient ist weltweit von 89,2 im Jahr 2000 auf 92,7 in 2016 gestiegen. Je höher der Koeffizient, desto größer ist die Ungleichverteilung. In USA beispielsweise ist er von 80,1 (2000) auf 86,2 (2016) angestiegen, in Russland von 69,9 auf 92,3, in Deutschland von 66,7 auf 78,9. In Österreich liegt er für 2016 bei 78,5.
Banken erzeugen Geld auf Knopfdruck
Für den österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter war das Kreditsystem das „Hauptquartier des Kapitalismus“, da Banken nicht bloß Vermögen verwalten sondern Kapital produzieren. Seit der Abkoppelung der Geldschöpfung vom knappen Gut Gold im Jahr 1973 ist die Geldschöpfungskraft von Banken stärker denn je, denn es muss dem Geld kein wie immer gearteter Wert gegenüberstehen. Laut Sahr erzeugen Banken Geld durch einfache Buchhaltung, also gleichsam auf Knopfdruck. Zahlungen, Kreditvergaben, Investitionen von Banken sind nicht von einem Haben abhängig. Dies hält die Bundesbank im Monatsbericht April 2017 wie folgt fest: „Die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, hängt nicht davon ab, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen.“ Banken können also Profite erwirtschaften, ohne zuvor akkumuliertes Kapitaleigentum einzusetzen.
Damit ist die Prämisse, Kapitalismus sei der Einsatz von Kapitaleigentum zum Zwecke des Profit, für Banken ausgehebelt. Davon profitieren neben den Geldinstituten selbst Investoren und Vermögensbesitzer, die damit als Minderheit einer wachsenden Mehrheit von Schuldnern gegenüberstehen. Banken schöpfen Geld für Investoren. Diese verdienen am Kapitalmarkt mehr als in der Realwirtschaft. Löhne der Arbeiter, die die Produkte herstellen, stagnieren. Arbeiter nehmen Kredite auf, die die Banken bereitwillig bereitstellen, da sie keinerlei Gegenfinanzierung nötig haben.
Auf diese Weise ist die Privatverschuldung in den letzten Jahrzehnten schneller gewachsen, als die Staatsverschuldung oder Schulden von Unternehmen.
Knopfdruck-Kapitalismus-freundliche Gesetzgebung
Seit den 1970er Jahren erfolgte in den meisten entwickelten Volkswirtschaften eine sukzessive Deregulierung der Bankensysteme. Im Falle von Notlagen einzelner Kreditinstitute können diese sich auf staatliche Rettungsprogramme verlassen. Für Aaron Sahr bedeuten diese Entwicklungen – Deregulierung und Kreditvergabe im Knopfdruck-Kapitalismus – eine ‚implizite Subventionierung‘ der Banken sowie eine Umverteilung von unten nach oben, somit eine Verschärfung der Ungleichheit.
Quellen und links
Le Monde diplomatique, Aaron Sahr, 7.9.2017: Der wunderbare Geldschalter
Gini-Koeffizient: wikipedia
Ungleichverteilung einzelner Länder: wikipedia
Über Joseph Schumpeter: wikipedia
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