Referenden als Ausdruck des Volkswillens oder der Volksemotion?

Die Bürger/innen Großbritanniens haben im Rahmen des Referendums ‚über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union‘ am 23. Juni 2016 mehrheitlich für das Verlassen der Union (‚Brexit‘) gestimmt. Nun werden die Austrittsprozesse und -verhandlungen zwischen EU und Großbritannien geführt.

Regieren Emotionen?

Dieses für viele politische Beobachter/innen überraschende und für geschichtsbewusste Menschen unerfreuliche Ergebnis wirft nun die Frage auf, inwieweit Referenden tatsächlich Ausdruck des Willens des Volkes, basierend auf Informiertheit und Faktenkundigkeit sind oder doch eher Ausdruck der Emotion des Volkes, basierend auf  diffuser Frustration und dem Gefühl, anders – irgendwie anders – wäre jedenfalls besser. Es heißt, die großen Boulevardmedien Großbritanniens und emotionsgeladene Aktionen in den sogenannten sozialen Medien hätten eine Stimmung erzeugt, in der Sachlichkeit zum Verlieren verdammt war.

In seiner Analyse ‚Risiko Referendum: Aus Frust wird Macht‘ auf Spiegel online vom 26.6.2016 schreibt Markus Becker von der drohenden ‚Diktatur der Wutmehrheit‘:  Bürger/innen verlieren das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Populisten, die sich für die wahren Vertreter/innen des Volkes halten, fordern mehr direkte Beteiligung.

Gelernte Österreicher/innen wissen, populistische Parteien arbeiten zudem mit Eifer daran, das Vertrauen in die Institutionen zu untergraben.

Gefahr: Demagogen statt Institutionen

Anscheinend, so Becker, steht das System der politischen Eliten vor seinem Ende. Dies könne aber nicht nur zu mehr Transparenz und Gerechtigkeit führen, sondern auch die Gefahr mit sich bringen, dass Demagogen das Ruder ergreifen.

Die Barrieren, die weitsichtige Verfassungsväter zwischen Volkswillen und Staatsmacht hochgezogen haben, werden porös. (Becker, Spiegel online 26.6)

Schon Platon habe in seiner ‚Politeia‘ davor gewarnt, dass immer größere Freiheit und Gleichheit letztlich dazu führt, dass niemand mehr Autoritäten anerkenne  und am Ende ein Demagoge sich zum Alleinherrscher aufschwinge.

Daher sind in den meisten Demokratien der direkten Machtausübung durch das Volk mittels Parlamenten, Parteien, Gerichten, Behörden Grenzen gesetzt.

Referenden als Instrumente der direkten Demokratie

Referenden als Abstimmung aller wahlberechtigten Bürger/innen zu einem Thema sind in vielen Demokratien vorgesehen. Wikipedia bietet die folgende Definition an:

Abstimmung aller wahlberechtigten Bürger über eine vom Parlament, von der Regierung oder einer die Regierungsgewalt ausübenden Institution erarbeiteten Vorlage. Es ist damit ein Instrument der direkten Demokratie. Da sich in einem Referendum die gesamte Wahlbevölkerung unmittelbar zu einer politischen Frage äußern kann, wird das Ergebnis der Abstimmung mit einem hohen Maß an politischer Legitimität ausgestattet.

Im Unterschied dazu ist eine Volksabstimmung/ein Volksentscheid eine Abstimmung über eine vom Volk initiierte Frage.

Diesen Definitionen folgend wäre Österreichs Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wohl korrekterweise als Referendum zu bezeichnen.

Die Fragestellung lautete:
„Soll der Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom 5. Mai 1994 über das Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union Gesetzeskraft erlangen?“ (Quelle: BMI)

Quellen und links

Spiegel online vom 26.6.2016

Definition Referendum auf wikipedia

Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union – wikipedia

Volksabstimmungen in Österreich – Bundesministerium für Inneres BMI

Politeia von Platon – wikipedia

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Menschenrechte – Artikel 13: Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit

1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

Erläuterungen zu Artikel 13: Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit

Laut der Menschenrechtsplattform humanrights.ch garantiert dieser Artikel das Recht auf Freizügigkeit (= das Recht auf freie Bewegung und freie Wohnsitznahme innerhalb eines Staates) und Auswanderungsfreiheit. Durch spätere Menschenrechtsverträge sei dieses Recht einschränkender formuliert worden. Gesetze eines Staates können vor allem für Ausländer/innen gewisse Schranken aufstellen.

Allerdings ist z.B. verboten:

  • die Vertreibung von Menschen aus einem Gebiet des Staates
  • die Beschränkung der Reisefreiheit innerhalb eines Staates aus politischen Gründen
  • die zwangsweise Zuweisung von Minderheiten in umgrenzte Lebensräume.

Quellen und links

Amnesty International

Informationsplattform humanrights.ch

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte

Über Menschenrechte auf 1-sicht

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Die Welt ist weniger friedlich geworden – Global Peace Index 2016

81 Staaten sind friedlicher geworden, 79 haben sich negativ entwickelt und insgesamt ist der Friede offensichtlich auf dem Rückzug. Das sagen die jüngst veröffentlichen Erkenntnisse des IEP (Institute for Economics and Peace). Der Global Peace Index (GPI) hat sich demzufolge um 0.53 % verschlechtert. Die Ursachen sind

  • Rückgang gesellschaftlicher Sicherheit
  • Fortdauer sowie Zunahme von Konflikten
  • terroristische Ereignisse
  • politische Instablilität

Die deutlichste Verschlechterung erlebte die Region Mittlerer Osten und Nordafrika, die ohnehin bereits zur konfliktreichsten Region der Welt zählt. Dies ist zurückzuführen auf

  • zahlreiche regionale Konflikte, die weiter eskalierten
  • neu aufgetretene Konflikte
  • die Ausdehnung des Bürgerkrieges in Syrien seit der Intervention Russlands im September 2015
  • der mit Intervention Saudi Arabiens fortgesetzte Bürgerkrieg im Jemen
  • und die US-geführten Luftangriffe gegen IS (Islamischer Staat) im Irak, die nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 intensiviert wurden.

Gesellschaftliche Sicherheit

Hinsichtlich gesellschaftlicher Sicherheit ist eine leichte Verbesserung wahrnehmbar. Ausgenommen sind der Mittlere Osten und Nordafrika sowie Südamerika, wo ein Anstieg an Kriminalität verzeichnet wurde.

Die diesbezüglich am schlechtesten gestellten Regionen sind Südamerika, Zentralamerika und Karibik. Einzig beim Indikator Inhaftierungsrate weisen die USA sowie der Mittlere Osten und Nordafrika höhere (= schlechtere) Werte auf.

Interne und internationale Konflikte

In Russland und Eurasien stieg die Zahl der Toten, die auf nationale (interne) Konflikte zurück gehen. Vor allem der Ukrainekonflikt schlägt hier zu Buche. Auch in Syrien, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen ist ein Anstieg in Zahl und Dauer interner Konflikte zu verzeichnen.

Eine noch deutlichere Verschlechterung zeigt sich bei Zahl und Dauer internationaler (externer) Konflikte mit negativen Auswirkungen auf den Friedensindex in fast allen Regionen – insbesondere in Nordamerika aufgrund dessen Rolle im Mittleren Osten und in Afghanistan.

Terrorismus

Auswirkungen von Terrorismus hatten negativen Einfluss in 77 Staaten, 48 verzeichneten eine Verbesserung und nur 37 der 163 untersuchten Staaten waren nicht von terroristischen Ereignissen betroffen.

Wiewohl Europa aufgrund der terroristischen Geschehen eine Verschlechterung seiner Friedenssituation hinnehmen musste, ist es immer noch die friedlichste Region der Welt.

Politische Instabilität

Ungünstig fällt das Ergebnis für die politische Stabilität aus, die sich in 39 Staaten im Vergleich zu 2015 verschlechtert hat, besonders in Brasilien aufgrund eines großen Korruptionsskandals. Bislang hat die Zunahme an Instabilität nicht zu mehr Gewalt geführt – mit Ausnahme in den Regionen Südasien, Mittlerer Osten und Nordamerika sowie Subsahara-Afrika – allesamt Regionen, die ohnehin bereits schlecht gestellt sind

Österreich auf Platz 3 der friedlichsten Länder der Welt

Hinter Island und Dänemark belegt Österreich 2016 Rang drei der friedlichsten Länder, gefolgt von Neuseeland auf Platz 4 – genauso wie 2015 und 2014. 2013 war Neuseeland auf Platz 3, Österreich auf Platz 4.

Rangordnung und Punkteanzahl für das Jahr 2016

  1. Iceland 1.192
  2. Denmark 1.246
  3. Austria 1.278
  4. New Zealand 1.287
  5. Portugal 1.356
  6. Czech Republic 1.360
  7. Switzerland 1.370
  8. Canada 1.388
  9. Japan 1.395
  10. Slovenia 1.408

Vollständige Tabelle für die Jahre 2008 bis 2016 (Global Peace Index Ranking): wikipedia

Quellen und links

Institute for economics and peace

Vision of humanity

Global Peace Index – wikipedia

Institute for economics and peace – wikepedia

Friedensforschung und Terrorismusindex – 1-sicht

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1-sicht empfiehlt Lese-, Hör-, Sehstoff: Juni 2016

Sehstoff:
Vor der Morgenröte

Der deutsch-französisch-österreichische Spielfilm der Regisseurin Maria Schrader aus dem Jahr 2016 erzählt das Leben des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig im Exil, dargestellt von Josef Hader. (Quelle: Wikipedia)

Über den Film

Zeit-online

Spiegel

Wikipedia

Lesestoff:
Die Welt von Gestern –  Erinnerungen eines Europäers

Das autobiografische Werk Stefan Zweigs entstand kurz vor dessen Freitod in den letzten Jahren (von 1939 bis 1941) seines Exils und erschien postum 1942. (Quelle: Wikipedia)

Zweig_Die Welt von Gestern

Über das Buch

Wikipedia

Fischerverlag

Projekt Gutenberg/Spiegel

Zeit online

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Stumpft Europa ab? 2016 schon 2.400 tote Flüchtlinge im Mittelmeer

‚Flüchtlinge – das tödlichste Jahr‘ (Zeit online, 31.5.2016)

‚Ertrunkene Flüchtlinge: Helfer bergen Babyleiche im Mittelmeer‘ (Spiegel online, 30.5.2016)

‚IOM warnt – Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge stark gestiegen‘ (MIGAZIN, 15.2.2016)

Schlagzeilen wie diese gehören mittlerweile zum Alltag in europäischen Medien. Haben wir uns daran gewöhnt? In seinem Kommentar für Spiegel online am 31.5.2016 konstatiert Maximilian Popp, dass die Menschen in Europa von dem mannigfachen Sterben im Mittelmeer nicht mehr berührt werden.

Ertrunkene Babys: zwei ähnliche Fotos – sehr unterschiedliche Reaktionen

Das eine Foto zeigt das tote Flüchtlingskind Alan Kurdi. Die türkische Journalistin Nilüfer Demir veröffentlichte es im September 2015. Es löste weltweite Reaktionen aus, sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in der Politk.  Zum Beispiel – so Popp – brach der kanadische Migrationsminister seinen Wahlkampf für eine Krisensitzung ab und Ahmet Davutoglu, damals türkischer Regierungschef, drängte die Europäer zur Zusammenarbeit in der Asylpolitik.

Das andere Foto zeigt einen Flüchtlingshelfer auf einem Boot im Mittelmeer, im Arm ein totes Baby. Die Organisation Sea-Watch veröffentlichte es im Mai 2016. Keine Politikerin, kein Politiker äußerte sich bislang dazu.

Nach Schätzungen seien in den vergangenen 15 Jahren mindestens 30.000 Menschen auf der Flucht nach Europa gestorben. IOM (International Organization for Migration) zählte allein für 1. Jänner bs 29. Mai 2016 über 2.440 Tote oder Vermisste. Die EU – Friedensnobelpreisträgern 2012 – schottet sich ab. Und sieht dem Sterben zu?

Das schlimmste Jahr im Mittelmeer?

Grafik: Zeit online, 31.5.2016, Sascha Venohr; Quelle: IOM Stand: 30.Mai 2016
Grafik: Zeit online, 31.5.2016, Sascha Venohr; Quelle: IOM Stand: 30.Mai 2016

Zum Abschluss eine weitere Schlagzeile:

Mittelmeer: Statistik des Schreckens‚ (www.unhcr.de)

Der Artikel ist vom 2.10.2014. Er beginnt wie folgt:

Neue Daten zeigen einen alarmierenden Anstieg von irregulären Überfahrten über das Mittelmeer nach Europa im dritten Quartal 2014.

Danach haben auf diese Weise 90.000 Menschen Europa zwischen dem 1. Juli und 30. September 2014 erreicht, mindestens 2.200 Menschen starben bei dem Versuch. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurden 75.000 Menschen und 800 Tote gezählt. Mit anderen Worten: Das Risiko, sein Leben bei der gefährlichen Überfahrt zu verlieren, hat sich statistisch gesehen verdoppelt.

Quellen und links

Zeit online, 31.5.2016: Flüchtlinge – das tödlichste Jahr

Spiegel online, 31.5.2016: Flüchtlingsdrama im Mittelmeer – abgestumpft

Spiegel online, 30.5.2016: Ertrunkene Flüchtlinge: Helfer bergen Babyleiche im Mittelmeer

MIGAZIN, 15.2.2016: IOM warnt – Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge stark gestiegen

International Organization for Migration (IOM)

UNHCR, 2.10.2014: Mittelmeer – Statistik des Schreckens

Friedensnobelpreis für EU auf 1-sicht

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