Wenn sich die Politik zunehmend an den Kategorien des Unterhaltungsbusiness orientiert, wird irgendwann der größte Medienclown zum Präsidenten. Diese These liegt dem Buch ‚Wir amüsieren uns zu Tode‘ des Medienwissenschafters Neil Postman (1931 – 2003) zugrunde. Der Professor an der New York University veröffentlichte es 1985. Ein Artikel in der New York Times im Februar 1983, der vom mangelnden Interesse der BürgerInnen an den falschen Behauptungen des Präsidenten berichtete, lieferte einen Anstoß zu diesem Werk. Ronald Reagan war damals Präsident der Vereinigten Staaten. (NZZ, 26.10.2018)
Die NZZ zitiert aus dem Artikel:
„Die Reporter, die über das Weisse Haus berichten, sind willens und imstande, Lügen blosszustellen, und schaffen so die Grundlage für informierte und entrüstete Meinungsäußerungen. Aber die Öffentlichkeit lehnt es offenbar dankend ab, sich dafür zu interessieren.“
Das Feld für den Medienclown
Postmans Befund
a) Wahrheit könne im ‚Zeitalter des Showbusiness‘ in einem ‚Meer von Belanglosigkeiten‘ untergehen.
b) Die ‚Guck-guck-Welt‘ der Medien fragmentiere die Aufmerksamkeit
c) Frei umherwirbelnde Informationskonfetti steigerten die Chancen effektiver Desinformation, denn man lebe im Bann einer permanenten Gegenwart.
d) In einer solchen Welt seien Politiker kaum mehr als eine Truppe von ‚redenden Frisuren‘, die nach ihrem Spaß- und Krawallfaktor beurteilt würden.
e) Der Rausch der Bilder präge das politische Geschäft allmählich in Richtung eines bloß unterhaltenden Spektakels.
(NZZ, 26.10.18)
Postmans Erklärung
Mit der von ihm entwickelten Theoriedisziplin ‚Medienökologie‘ lassen sich diese Phänomene erklären.
Medien bilden eine oft unsichtbare, tief im täglichen Leben verankerte und daher natürlich wirkende Kommunikationsumwelt. Die Ausbreitung eines neuen Mediums ist daher nicht additiv, sondern ökologisch, das heißt Resultat systemischer Wechselwirkungen. Alle Bereiche des Lebens werden auf schwer fassliche Weise verändert. Bisher Unsichtbares wird sichtbar, bisher Privates öffentlich. Die Symbole, mit denen wir uns austauschen, ändern sich ebenso wie das Wesen von Gemeinschaften, die Arena, in der wir Debatten führen.
Im Gegensatz zum berühmten Mantra des kanadischen Kommunikationstheoretikers Marshall McLuhan ‚Das Medium ist die Botschaft‘, sind nach Postman, der vor der Verbreitung der sogenannten sozialen Medien starb, Medien nicht Botschaften sondern Metaphern, die ‚ebenso unaufdringlich wie machtvoll ihre spezifischen Realitätsdefinitionen stillschweigend durchsetzen. Ob wir die Welt durch das Objektiv der gesprochenen Sprache oder des gedruckten Wortes oder der Fernsehkamera wahrnehmen – unsere Medien-Metaphern gliedern die Welt für uns, bringen sie in eine zeitliche Abfolge, vergrößern sie, verkleinern sie, färben sie ein und explizieren eine bestimmte Deutung der Beschaffenheit der Wirklichkeit.‘ (NZZ, 26.10.18)
Quellen und links
Irgendwann wird der grösste Medienclown zum Präsidenten: Der Medienwissenschafter Neil Postman hat schon vor mehr als 30 Jahren einen Donald Trump vorhergesagt, NZZ, 26.10.2018
über Neil Postman auf wikipedia
über Marshall McLuhan auf wikipedia