Wie können wir unsere freiheitliche Staatsform, unsere Freiheit schützen?

Die Anschläge in Brüssel auf U-Bahn und Flughafen am 22. März 2016 lassen uns einmal mehr entsetzt und ratlos zurück. Politikerstellungnahmen – so kommentiert es Rolf Clement in seinem Artikel „Terror-Prävention –  Mehr Freiheit durch mehr Überwachung“ auf Deutschlandfunk.de – klingen nach derartigen Ereignissen stets gleich. Und sie hätten Recht: „Ja, es ist ein Anschlag auf unsere Lebensweise, auch auf Europa, es ist ein gemeiner hinterhältiger Anschlag,“

Spannungsverhältnis Freiheit : Sicherheit

Was sind die Konsequenzen? Eine nicht neue Forderung sei, den Informationsaustausch zwischen den Ländern zu verbessern. Dies scheitere unter anderem an den unterschiedlichen sicherheitstechnischen Kulturen in den Ländern. Die einen, so Clement, lösen das Spannungsverhältnis zwischen einer eher freiheitlichen Staatsorganisation und dem Vorrang für Sicherheit zu Gunsten der Sicherheit auf, andere – wie Deutschland – eher zu Gunsten der Freiheit.

Um gefährdete Bereiche gezielter schützen zu können, sei es zudem notwendig, über ausreichend und ausreichend gut ausgebildete Sicherheitskräfte zu verfügen. Es klinge paradox, aber nur so können wir die freiheitliche Staatsform erhalten. Clement weist aber auch darauf hin, dass unser Verhalten, dass die Terrorvorsorge nicht bereits erste Erfolge der Terroristen sein dürfen, indem die Gesellschaften weniger frei werden. Die aktuellen Sorgen vor weiteren Anschlägen seien berechtigt, sie dürfen allerdings nicht zum beherrschenden Maßstab unseres Handelns werden. (Quelle: deutschlandfunk.de)

Quellen und links

Deutschlandfunk 22.3.2016

Was zeichnet eine offene Gesellschaft aus – 1-sicht

Friedensforschung und Terrorismusindex – 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

1-sicht empfiehlt Lese-, Hör-, Sehstoff: März 2016

Lesestoff:
Navid Kermani: Einbruch der Wirklichkeit

Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa

Im Auftrag des SPIEGEL bereisten der Schriftsteller Navid Kermani und der Magnum-Fotograf Moises Saman eine der großen aktuellen Flüchtlingsrouten in entgegengesetzter Richtung: von Budapest bis Izmir. Die Reportage erweiterte er für das im C.H. Beck-Verlag erschienene Buch.

In seiner bewegenden Reportage berichtet er davon, warum die Welt der Krisen und Konflikte, die wir weit vor den Toren Europas wähnten, plötzlich auch unsere Welt ist.

(Buchdeckel der 3. Auflage 2016)

NavidKermani_EinbruchderWirklichkeit
„Gegenüber der Nordküste von Lesbos, in der Türkei. liegt das antike Assos, das heute ein malerisches Fischerdorf mit einigen hübschen Hotels und Restaurants ist. In dem kaum besiedelten Küstenstreifen um Assos herum stiegen die meisten Flüchtlinge ins Schlauchboot, die an meiner Veranda vorbeiliefen.“ So beginnt Kermani das Kapitel ‚Der menschliche Instinkt‘.
Lesbos Island, Greece. September 29, 2015.A refugee waves to indicate a safe landing area to an approaching inflatable raft as it approaches the shores of Lesbos island in Greece. They had traveled from Assos, Turkey, in inflatable rafts to reach the European Union in the hopes of being granted asylum. (Photo by Moises Saman/MAGNUM)
Lesbos Island, Greece. September 29, 2015.A refugee waves to indicate a safe landing area to an approaching inflatable raft as it approaches the shores of Lesbos island in Greece. They had traveled from Assos, Turkey, in inflatable rafts to reach the European Union in the hopes of being granted asylum. (Photo by Moises Saman/MAGNUM)

Quellen und Links

C.H.Beck-Verlag

Navid Kermani – Beck-Verlag

Navid Kermani – wikipedia

Moises Saman – magnum

Der Weg, über den die Welt nach Deutschland flieht – DIE WELT

Hörstoff
Uta Köbernick: Zäune bauen

Der Song war bereits im Oktober 2015 1-sichts Hörempfehlung. Der Aktualität des Zäunebauens ist es u.a. geschuldet, dass er wieder empfohlen wird.

Uta Köbernick – wikipedia

 

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Menschenrechte – Artikel 10: Anspruch auf gerechtes Verfahren

Jeder hat bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller  Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

Erläuterungen zu Artikel 10: Anspruch auf gerechtes Verfahren

Die Informationsplattform humanrights.ch  schreibt dazu erläuternd:

Artikel 10 befasst sich mit grundlegenden Ansprüchen in Rechtsverfahren, und zwar nicht nur in Kriminalfällen, sondern auch in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, in denen eine Person gegen eine andere klagt. Ziel des Artikels ist eine gerechte Anhörung aller Personen, die vor einem Gericht erscheinen, durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Jedermann soll eine faire Chance bekommen, seinen Fall vorzubringen und gerecht beurteilen zu lassen.

Quellen und links

Amnesty International

Informationsplattform humanrights.ch

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Über Menschenrechte auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Über Herausforderungen und Chancen der aktuellen Migrationen – Beitrag 1

Zu den Flucht- und Wanderbewegungen sind bereits einige 1-sichten online. Diese und 2 folgende betrachten das Phänomen aus philosophischen Perspektiven.

Im Dossier ‚Was tun?‘ des Philosophie Magazins vom Februar 2016 kommen 27 Frauen und Männer – aus Philosophie, Soziologie, Rechtswissenschaft und anderen Professionen – zu zentralen Fragen des Flüchtlingsmanagements zu Wort. Man geht auf Ängste und Sorgen, die im Zusammenhang mit den Migrationen auftreten, ein und will die Gestaltungskraft beflügeln.

Die Wanderbewegung des Jahres 2015 (60 Millionen Flüchtlinge weltweit) wird als Anfang eingestuft, angesichts der hohen Zahl Wanderungswilliger könnte die Unterscheidung in Kriegs-, Wirtschafts- und Klimaflüchtlinge rein akademisch wirken. Die sogenannte Flüchtlingskrise löste in der Bevölkerung eine Dynamik in 2 Richtungen aus: hier tätige Solidarität, außerordentliche Spenden- und Hilfsbereitschaft, da die Verdoppelung fremdenfeindlicher Anschläge binnen 1 Jahres und erhöhter Zuspruch zu rechtspopulistischen Parteien.

Wolfram Eilenberger ermuntert in der Einleitung dazu, der Komplexität und Dynamik damit zu begegnen, die eigene Perplexität einzugestehen und sich zu erlauben, Fragen zu stellen. Mit dem Dossier wird ein Beitrag geleistet. Folgende Themen sind aufgeworfen:

  1. Unsere Verantwortung
  2. Wer sind wir?
  3. Wie schaffen wir das?

Zu diesen Themen sind jeweils konkrete Fragen gestellt. 1-sicht greift die – subjektiv – wesentlichsten Aspekte aus den Antworten auf und fasst sie in 3 Blogbeiträgen als Erweiterung bisheriger 1-sichten zum Phänomen Migrationen zusammen. Dieser Beitrag widmet sich dem ersten Thema:

Unsere Verantwortung

Im Angesicht des Leids

Ist das Konzept einer ‚globalen Verantwortung‘ notwendig eine Überforderung?

Verantwortung im Sinne einer klaren individuellen Zurechnung von Handlungsfolgen wird zur Überforderung, wenn sie global gemeint ist. Jedoch ist es geboten, sich mit Schicksalen anderer Menschen in fernen Regionen verbunden zu fühlen. Andernfalls wäre eine innere Verhärtung die Folge. Daraus resultierte eine Veränderung des eigenen Wertesystems und in der Folge eine Vereinzelung der Person. Hingegen lässt Verbundenheit zu, sich als Teil eines lebendigen Geschehens zu verstehen. Daraus erwächst Motivation (nicht nur abstrakte Verpflichtung) für ein Handeln, das globale Zusammenhänge mit einschließt.

Hartmut Rosa; Professor für Philosophie an der Universität Jena

Sollen wir uns in unserer Haltung gegenüber den Flüchtlingen eher von rationalen Überlegungen oder von Gefühlen leiten lassen?

Verstand und Gefühl müssen sprechen, um die Welt deuten zu können. Im Falle der nach Europa wollenden Flüchtlinge könnte das heißen, das Gefühl setzt den Impuls zu helfen – zumal wenn die eigene Biografie Fluchterfahrungen enthält, und der Verstand sieht in den Ankommenden neue Freunde oder billige Arbeitskräfte. Jedenfalls sind Grenzen zu beachten: ‚Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet.‘ (lat.: Ultra posse nemo obligatur.) Geschieht dies nicht, ist niemandem geholfen. Daher gilt es, die Migrationen rechtsstaatlich zu kontrollieren und zu begrenzen und den Ankommenden Lebens- und Zukunftschancen zu eröffnen.

Volker Gerhardt; Lehrstuhl für praktische Philosophie (emeritiert 2012) an der Berliner Humboldt Universität

Was sind die entscheidenden Faktoren dafür, dass wir Empathie mit Flüchtlingen empfinden?

Man ist zur Empathie fähig, wenn:

  • Die oder der andere ein ähnliches Wesen ist.
  • Deren oder dessen Situation muss anschaulich, ‚nah‘ sein.
  • Es sein könnte, dass man selbst ein dieselbe Situation kommt.

Empathie wird kultiviert durch:

  • gezielten Fokus auf Gemeinsamkeiten
  • Die Vorstellung, allein glücklichen Umständen verdanke man es, selbst in einer besseren Situation zu sein
  • Vergleichbare Erfahrungen nahestehender Menschen
  • Eigene vergleichbare Erfahrungen

Für das eigene Handeln braucht es neben der Empathie eine gefühlsbetonte Vision davon, wie viel besser es dem Mitmenschen gehen könnte.

Hilge Landweer; Professorin für Philosophie an der Freien Universität Berlin

Von der Schuld zur Pflicht

Hat Deutschland im Rahmen der Flüchtlingskrise eine besondere historisch bedingte Verantwortung?

Die Erinnerung an die NS-Zeit weist auch in die Zukunft. Der Ermordung der Juden und anderer ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen ging ein kollektives Aussetzen von Mitgefühl voran, das gespeist wurde von der Etikettierung dieser Menschen als fremd, radikal anders und daher als Bedrohung. Viele Deutsche achten daher aktuell auf das Gemeinsame. Und sie stellen sich die Frage, zu was für einer Nation man gehören möchte: ‚zu einer, die verzweifelte Menschen abweist, oder einer, die mit ihnen die gemeinsame Aufgabe einer neuen Zukunft angeht?‘

Aleida Assmann; Professorin für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz

Hat die moralische Verpflichtung, Geflüchtete aufzunehmen, Grenzen oder handelt es sich um eine absolute Pflicht?

Nach streng moralischer Argumentation kann es keine Grenzen geben. Vielmehr müsse man sich bewusst machen, dass in immer mehr Staaten die extreme Gewalt zunimmt (Syrien, Libyen, Irak). Die Zustimmung oder Ablehnung, Menschen aufzunehmen kommt in der Macht über Leben und Tod gleich. Der politische Wille, Geflüchtete zurückzuweisen, kommt der Billigung von Mord gleich. Auch verstößt es gegen die Menschenwürde, das ‚Minimum menschlicher Existenz‘ (Hannah Arendt) nicht zu gewähren. Menschliche Beziehungen seien prinzipiell auf die Pflicht zu Fürsorge, Hilfe und Rücksicht überall und für alle begründte.

Marc Crépon; Direktor des Centre national de la recherche scientifique in Paris

Ist die Flüchtlingskrise eine direkte Folge des globalen Kapitalismus

Ja, denn ein wirtschaftliches Zentrum lebt auf Kosten einer rohstoffliefernden Peripherie. Die conditio sine qua non für das Aufrechterhalten des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist die gewaltsame Aufrechthaltung dieser Ungleichheit. Die Distinguierung in Kriegs-, Wirtschafts-, Klimaflüchtlinge ist irrelevant, weil derzeit alles auf das derzeitige kapitalistische System zurückzuführen ist. Kriegsflüchtlinge sind Opfer einer bellizistischen Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsflüchtlinge Opfer einer Durchsetzung geopolitischer Interessen mit ‚nur‘ ökonomischen Mitteln.

Armen Avanessian; Literaturwissenschafter, Philosoph, Gastprofessor an verschiedenen Kunstakademien

Unbedingte Solidarität?

Ist der Schutz der eigenen Bevölkerung vor einem Anschlag ein legitimes Argument, um Flüchtlingsrechte einzuschränken?

Die Frage beinhaltet rechtsstaatlich betrachtet 5 Einzelfragen:

  1. Reicht die statistische Annahme, unter Hunderttausenden Flüchtlingen befinden sich Terrorbereite oder muss sich der Verdacht gegen konkrete Menschen richten?
  2. Darf der Staat allenfalls die Rechte aller Flüchtlinge einschränken oder lediglich der Verdächtigen?
  3. Dürften Einschränkungen sich nur gegen bereits im Inland befindliche Flüchtlinge richten oder könnte eine Begrenzung des Zuzuges erfolgen?
  4. Wie ‚dicht‘ müsste das Risiko sein?
  5. Welche Dimension müsste das schlagend werdende Risiko haben?

Um vernünftige Antworten zu finden, sind 3 Prämissen zu beachten:

  1. Staaten haben das Recht und die Pflicht, die Bevölkerung zu schützen.
  2. Diese Pflicht beinhaltet das Recht, hinreichend verdächtige Personen entsprechenden polizeilichen Maßnahmen der Prävention zu unterwerfen bzw. ihnen den Zutritt ins Land zu verwehren.
  3. Anzunehmen, dass unter Hundertausenden Menschen aus Herkunftsländern des internationalen Terrors kein einziger mit Neigung zu terroristischen Aktionen ist, wäre verantwortungslos.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Antworten:

Die statistische Annahme eines Anschlages reicht nicht aus, die Rechte aller Flüchtlinge einzuschränken oder Migranten den Zutritt zu verwehren. Dies würde bedeuten, dass die von Einzelnen ausgehende Gefahr, unzähligen anderen zugerechnet wird. Dies gilt selbst dann, wenn das Risiko als statistische Gewissheit bestimmt ist. Der Staat muss allerdings alle Flüchtlinge überprüfen, um seine Pflichten als Garant einer Normenordnung prinzipieller Freiheit zu erfüllen. Bei begründetem konkreten Verdacht darf die Person polizeilichen Maßnahmen unterworfen, gegebenenfalls abgeschoben oder nicht ins Land gelassen werden. Derartige Präventionsmaßnahmen sind angezeigt, wenn ein gravierender terroristischer Akt befürchtet wird, der geeignet ist, die Rolle des Staates als Garant des inneren Friedens zu diskreditieren.

Reinhard Merkel; Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg

Sind Staaten juristisch verplichtet, Flüchtlinge aufzunehmen?

Eine Juristische Pflicht zur Aufnahme besteht nicht, dies würde das Recht der Staaten auf nationale Selbstbestimmung gemäß Artikel 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verletzen. Staaten haben die Pflicht, jeden Asylantrag angemessen und nachvollziehbar zu bearbeiten und im Falle der Bewilligung von Asyl den Menschen aufzunehmen oder den Transfer in ein sicheres Drittland gewährleisten. In der aktuellen Situation sei auf Kontingente hinzuarbeiten. Jene Staaten, die weniger Flüchtlinge aufzunehmen wünschen, sollten Transferzahlungen leisten.

David Miller; Professor für Social an Political Theory am Nuffield College in Oxford.

Wird der Gesamtnutzen aller Betroffenen dadurch optimiert, dass wir Geflüchtete aufnehmen – oder wäre es hilfreicher, sie vor Ort in den Lagern zu unterstützen?

Genau genommen bevorzugt die Genfer Flüchtlingskonvention jene, die sich die Ausreise ermöglichen können, gegenüber jenen, die sich diese nicht leisten können. Zudem habe die Konvention den Boom des oft skrupellosen und tödlichen Menschenschmuggels begünstigt. Eine praktikable Herangehensweise könnte sein, Flüchtlinge würden in einem dem Herkunftsland benachbarten Staat Asyl beantragen und dort in einem sicheren Camp – dank der Finanzhilfen reicherer Länder – versorgt werden.

Peter Singer; Professor für Bioethik am Center für Human Values der Princeton University.

 

Quellen und links

Philosophie Magazin

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 2 auf 1-sicht

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 3 auf 1-sicht

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Europas nationalstaatliche Grenzen. Normalität und Notwendigkeit oder historischer Sonderfall? – Beitrag auf 1-sicht

Krieg in Syrien und kein Ende in Sicht. – Beitrag auf 1-sicht

Syriens Nachbarn und die Flüchtlinge. – Beitrag auf 1-sicht

Aufnahmelager_Flüchtlinge-1_leMondeDiplomatiqu_20151008
Aufnahmelager für Flüchtlinge; Bildquelle Le Monde Diplomatique 8. Oktober 2015
1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Über Herausforderungen und Chancen der aktuellen Migrationen – Beitrag 2

Teil 2 aus 3 zum Diskursbeitrag über Migrationen (Dossier ‚Was tun?‘ des Philosophie Magazins vom Februar 2016). 1-sicht-Beitrag 1 befasste sich mit ‚Unsere Verantwortung‘. Nun ist ‚Wer sind wir?‘ das Thema. Es folgt in Teil 3 ‚Wie schaffen wir das?‘

Wer sind wir?

Was wäre deutsch?

Ist eine klar konturierte, selbstbewusst vertretene Landesidentität ein Vorteil oder ein Nachteil für die Integration von Neuankömmlingen?

Zwei Antworten sind aus der Migrationsforschung bekannt:

  1. Festigkeit der Identität des Aufnahmelandes, die durch Forderungen an Neuankömmlinge gesichert wird. Integration wird dabei oft als Assimilation verstanden.
  2. Identitätsbildung ist Aushandlungsprozess zwischen Aufnahmeland und Neuankömmlingen. Der dialogische Zugang erleichtert Integrations, erschwert hingegen die Identitätsbildung.

Eine Kompromissvariante für Deutschland könnte Integration in Form eines dialogischen Aushandlungsprozesses zwischen starken staatlichen Institutionen und Neuankömmlingen sein.

Gunter Gebauer; emeritierter Professor der Freien Universität Berlin

Auf wen bezieht sich das Wort ‚wir‘ in Merkels Satz ‚Wir schaffen das?‘

‚Wir‘, das sind zunächst die Kanzlerin und ihr Kabinett, in der Folge sind alle Behörden, die Regierung und schließlich das Volk, das ja der Souverän ist, gemeint. Wobei sich nicht alle mitgemeint fühlen wollen oder können. Damit die Herausforderung geschafft werden kann, müssen zum ‚wir‘ auch jene Menschen mitgemeint sein, die als Flüchtlinge ankommen. Es gelte, sie nicht nur zu fragen, was sie im Moment benötigen, sondern auch, was sie küntig zum Gemeinwesen beitragen wollen und können.

Tilman Borsche, emeritierter Professor für Philosophie der Universität Hildesheim

Gibt es einen Kern der deutschen Identität?

Man ersetze das Postulat der Identität durch das Prinzip der Identifizierung. Und man begreife die Bedingungen der Gemeinschaftserfahrung als entwicklungsfähige Erzeugnisse. Produktive Teilhabe setzt Sprachen, setzt kommunikatives Handeln voraus. Jedes Erziehungssystem hat den Kernauftrag, die Ausdrucksmittel zu erhalten, weiterzuentwickeln und gegen die Unterwanderung von utilitaristisch vereinfachten Idiomen zu verteidigen.

Heinz Wismann; Philosophiehistoriker und Altphilologe an der EHESS in Paris

Die Anderen und wir

Stellt die Tatsache, dass 80 Prozent der Flüchtlinge (muslimische) Männer sind, aus feministischer Sicht eine besondere Herausforderung dar?

Die Leidenschaft der Araber lässt französischen Charme blass aussehen und reißt Frauen hin. So war es bei Blazac. Nun wird dieses Klischee in seiner negativen Seite vermittelt: Muslime sperren ihre Frauen unter Schleier weg und vergreifen sich an ‚unseren‘ Frauen. Die Sexualität des Orients: vielversprechend einerseits, bedrohlich andererseits. Dieser Diskurs sei Symptom von Kastrationsangst und Ausdruck eines wenig beflügelten Verhältnisses zwischen den Geschlechtern. Frauen sind respektiert, ihnen den Hof zu machen ist nicht mehr üblich. Es sei, als hätte man vergessen, dass die Geschlechter auf der Welt sind, um sich gegenseitig zu Gefallen zu sein. Sollte man auf den Frauenkult der Araber und Syrer hoffen? Und darauf, dass er altdeutsche Ängste bezwingt?

Barbara Vinken; Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der Ludwig-Maximilian-Universität München

Ist das Verhalten der Bundesregierung in der Flüchtlingskrise wie auch im Krieg gegen den IS Ausdruck eines neuen Bewusstseins der außenpolitischen Stärke?

Deutschland reagierte einem kollektiven moralischen Impuls folgend, wie es im internationalen Kontext häufig moralischen Argumenten Vorrang vor politisch-pragmatischen Gründen gibt. Dies mag mit dem – vermittelten – historischen Schuldgefühl zu tun haben. Hätte Deutschland politische Stärke gezeigt, hätte es an den Luftangriffen auf Syrien teilnehmen oder für eine pazifistische Lösung optieren müssen.

Hans Ulrich Gumbrecht,; Albert-Guèrard-Professor für Literatur an der Stanford University (USA)

Welche Faktoren lassen die Angst vor dem Fremden in einen Hass gegen den Fremden umschlagen?

Hass liegt nicht in Angst begründet, sondern in Erfahrungen von Degradierung, Ignorierung oder Sabotage an der eigenen Person; in einem verunsicherten, angegriffenen oder erschütterten Selbstwertgefühl. Der Hass richtet sich in der Regel gegen einen konzeptionellen Anderen, nicht gegen einen konkreten Anderen. Der Selbstwert wird durch gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit gestärkt.

Heinz Bude; Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel

Unverzichtbare Werte

Welche Werte sind zentral für die europäische Lebensform?

Die europäische Lebensform basiert auf

  • experimentell-mathematischer Naturwissenschaft und Technik
  • stoischem Kosmopolitismus und Menschenrechten
  • Gewalten teilendem Rechtsstaat mit Meinungs- und Religionsfreiheit
  • freier Kunst, die keinen religiösen oder politischen Zwecken dient
  • einem Bildungssystem, das nach der Entwicklung autonomer Persönlichkeiten strebt

Dies entspricht den Idealen der Aufklärung.

Diesen zuwider laufen

  • religiöse Überzeugungen, die die Wahrheit über die Welt und die Regeln des Zusammenlebens vermeintlich heiligen Texten entnehmen
  • die Idee, geoffenbarte Wahrheiten könnten durch Grausamkeiten verbreitet werden
  • ein Wirtschaftssystem, das Illusionen von Glück und Freiheit propagiert, um des Profits willen Unwahrheiten kommuniziert und Arbeiter grausam behandelt

Im 20. Jahrhundert haben die Menschen

  1. sich kollektiven Illusionen in den großen Ideologien hingegeben und zu deren Verteidigung unglaubliche Grausamkeiten begangen
  2. Unwahrheiten verbreitet und neue Grausamkeiten begangen, um militärische und wirtschaftliche Macht zu erhalten

Seit Sokrates (400 vor unserer Zeitrechnung) existiert die Idee eines aufgeklärten Lebens freier, friedlicher, wahrheitsliebender Menschen. Es sei Zeit, sie zu realisieren.

Michael Hampe; Professor für Philosophie an der ETH Zürich

Brauchen wir für einen erfolgreichen Integrationsprozess eine deutsche Leitkultur?

Zwei Positionen stehen einander gegenüber:
a) Assimilation als Bedingung von Integration
b) Vielfalt der Kulturen als Bereicherung

Der philosophische und politische Liberalismus fordern eine Entkoppelung von Politik und Kultur in Form einer autonomen politischen Sphäre, die allen unabhängig von Herkunft, Religion, kultureller Prägung zugänglich ist. Demokratie als Staats- und Lebensform beruht auf

  • Verfassungsnormen
  • rechtsstaatlicher Praxis
  • verbunden mit demokratischer Kontrolle
  • und einer rechtlichen, politischen, kulturellen Praxis der Nichtdiskriminierung .

Es bedarf einer alltäglichen praktizierten Leitkultur der Humanität, des wechselseitigen Respekts, der Akzeptanz von weltanschaulichen und kulturellen Unterschieden. Angesichts von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Antiislamismus sowie der Radikalisierung in vielen Ländern Europas und in den USA sei es möglicherweise die größte Integrationsleistung, den Antihumanismus eines wachsenden Teils der einheimischen Bevölkerung einzudämmen.

Julian Nida-Rümelin; Professor für politische Theorie und Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität München

Sollte Gotteslästerung erlaubt sein, auch wenn sie Gläubige verletzt?

In einer Demokratie müsse das Recht zur Kritik über dem Recht, sich nicht beleidigt zu fühlen, stehen, andernfalls würde die Freiheit der Kritik ausgehöhlt. Der demokratische Staat muss einen laizistischen Charakter haben. Dass Gotteslästerung als Straftat gilt, dass es Steuersubventionen für Religionsgemeinschaften gibt und dass religiöse Symbole an öffentlichen Orten benutzt werden dürfen, steht im Konflikt dazu.

Paolo Flores d’Arcais; Professor für Philosophie an der Universität La Sapienza in Rom

 

Quellen und links

Philosophie Magazin

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 1 auf 1-sicht

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 3 auf 1-sicht

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Unsere Werte – Artikel 2 des EU-Bertrages. – Beitrag auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Über Herausforderungen und Chancen der aktuellen Migrationen – Beitrag 3

1-sicht-Beitrag 3 von 3 zum Denkanstoß ‚Was tun?‘ des Philosophie Magazins vom Februar 2016. Nach ‚Unsere Verantwortung‘ und ‚Wer sind wir?‘ steht jetzt die Frage ‚Wie schaffen wir das?‘ im Raum. 

Links zu den ersten beiden Beiträgen sowie zu anderen 1-sichten im Kontext Migrationen sind am Ende des Artikels.

Wie schaffen wir das?

Grenzen der Toleranz

Welches sind die wichtigsten Aspekte für gelingende Integration?

Der Mensch ist ein tätiges Wesen. Man lebt durch Tätigsein, was nicht gleichbedeutend ist mit Lohnarbeit. Auch Menschen, die um Asyl in einem Land ansuchen, müssen zum Einen die Möglichkeit, zum Anderen die Pflicht zum Tätigsein haben. Der Beginn ist im Asylheim, wo Aufräum- und Reinigungsarbeiten etc. anstehen. Dies müsse den Menschen vom ersten Tag ihres Lebens im neuen Land klar vermittelt werden. Menschen bis zu 17 Monate nichts tun lassen, sie stillstellen, hindere die Entfaltung der Selbstorganisation und die Integration.

Rupert Neudeck; Philosoph, Begründer des Hilfskomitess Cap Anamur

Gibt es religiöse Eigenheiten, die ein demokratischer Rechtsstaat nicht tolerieren sollte?

Menschenrechte und Grundnormen der Gerechtigkeit markieren die Grenzen der Toleranz. Es reicht nicht, dass Handlungsweisen von einer Mehrheit als falsch bewertet werden oder als gegen die ‚Hausordnung‘ empfunden werden, um diese zu verbieten. Die Grenzen der Toleranz sind erreicht, wenn Grundrechte verletzt werden, z.B. wenn einem kranken Kind Zugang zu lebensrettender Bluttransfusion verwehrt wird, wenn Beschneidungen Mädchen schwerwiegend schädigen, wenn Frauen der Zugang zu Bildung verwehrt wird.

Rainer Forst; Professor für Politische Theorie und Philosophie am Institut für Politikwissenschaft sowie im Institut für Philosophie der Johann Wolfgang von Goethe-Universität

Gibt es eine Verbindung zwischen dem Islamismus und dem Islam und worin liegen die Gründe für den Aufschwung des Fundamentalismus in der muslimischen Welt?

Islamismus verfolgt politische Ziele, ist eine Ideologie. Islam ist ein religiöser Glaube, eine intellektuelle Tradition, ein spirituelles Erbe. Wer zum ‚Krieg gegen den Islam‘ ruft, verfolgt ebenfalls politische Ziele. Islamismus habe keine Kontinuität zum Islam, vielmehr stelle er einen Bruch dar. Wer vom radikalen Islam spricht, unterstellt eine Verbindung von Islam und Extremismus. Doch bei Religionen gehe es um den Glauben, um das Menschlich-Werden, das Begreifen der gemeinsamen Menschlichkeit. Sich um angemessene und zutreffende Benennungen zu sorgen, hat zum Ziel, den Kräften der Negation die Affirmation der Menschlichkeit entgegenzusetzen.

Souleymane Bachir Diagne; Professor an der Columbia Universität, New York

Gefahren als Chancen

Wie ist der Sorge der jüdischen Gemeinden zu begegnen, die Ankunft der meist muslimischen Flüchtlinge werde den Antisemitismus hierzulande verschärfen?

Arabische Diktaturen setzen auf die Außenfeinde Staat Israel und Juden. Zugleich gilt vielen oppositionellen Israelis die Bezeichnung ‚Faschist‘ als angemessen für manche Regierungsmitglieder. Verhärtete Fronten ohne Aussicht auf Lösung. Im 3. Buch der Thora heißt es: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ Dieses Gebot ist Grundlage für den Einsatz vieler Juden, Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak in jüdischen Gemeinden aufzunehmen. Eine Willkommenskultur könnte den Kreislauf von Furcht und Hass zwischen der jüdischen und der muslimischen Welt durchbrechen. Zumal jene, deren Vorfahren selbst Vertriebene waren, eine besondere Sensibilität für das Leid von vor Krieg und Fanatismus fliehenden Menschen haben sollten. Deutschlands Verantwortung im Kampf gegen den Antisemitismus müsse den jetzt Geflüchteten erkennbar gemacht und der Einsatz für eine Lösung des Nahostkonfliktes seitens Deutschland verstärkt werden.

Susan Neimann; Direktorin des Einstein Forums in Potsdam

Wie lässt sich Neid auf Flüchtlinge vermeiden?

Wer unter prekären Beschäftigungsverhältnissen leben muss, fühlt sich zu Recht vernachlässigt. Neben den wirklichen Benachteiligungen kommen die eingebildeten zum Tragen. Ein Großteil der ansässigen Bevölkerung hat etwas verloren, was die Neuankommenden mitbringen: Die Hoffnung, dass es ihnen und dereinst ihren Kindern besser gehen wird. Die Hoffnungslosen haben das Gefühl, ihr Verlust an Hoffnung wäre die Schuld der Hoffnungsvollen. Es brauche also für alle positive Perspektiven, neben humanitären Appellen einen Plan für die Gesamtbevölkerung und eine ‚große Erzählung‘, in der alle ihre Möglichkeiten finden, sodass das vermeintliche Glück des anderen als eigener Vorteil und etwas Teilbares erfahren werden kann.

Robert Pfaller; Professor für Philosophie an der Kunstuniversität Linz

Wie bekämpft man religiösen Fanatismus innerhalb der eigenen Landesgrenzen?

Etwas, was unvorstellbar schien, ist geschehen: der religiöse Fanatismus ist in Deutschland angekommen. Muslime wie Nicht-Muslime hätten durch Ausgrenzungsdebatten gegen ‚den Islam‘ dazu beigetragen. Muslime, die ein zeitgemäßes Islamverständnis etablieren wollen, mögen sich gesellschaftlich und theologisch stärker engagieren. Insgesamt brauche es eine Steigerung der Demokratiefähigkeit und eine aufgeklärte, zur Differenzierung fähige Gesellschaft.

Lamya Kaddor; muslimische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes

Deutschland, Zukunftsland?

Welches sind die Erfolgsindikatoren, die uns in 20 Jahren sagen lassen können: „Ja, wir haben das geschafft“?

Man wird nicht merken, ob die Integration erfolgreich gewesen sein wird. Denn wenn Einwanderung erfolgreich funktioniert, spielen Herkunft und Migrationsgeschichte keine Rolle, sind sie kein Thema. Genauso wenig wie die Aufhebung des Demografieproblems durch die Zuwanderung überwiegend junger Menschen. Es wäre nunmehr an der Zeit, Gesellschaften und ihre Entwicklungen als nicht-linear zu begreifen und Gestaltwandel und unerwartete Geschehen nicht als ‚Krise‘ zu deuten. Dies würde Demokratien widerstandsfähiger machen.

Harald Welzer; Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg

Worin liegt die größte Chance der derzeitigen Zuwanderung und wie wäre sie zu nutzen?

Die größte Chance liege darin, dass Europa ehrlich würde und eingesteht, jahrzehntelang auf Kosten derer gelebt zu haben, die nun wandern. Es wurden Konflikte verschleppt bzw. durch Waffenlieferungen zum Eskalieren gebracht (Afrika, Mittlerer Osten, Balkan). Man hat sich mit Diktatoren arrangiert und die Erderwärmung geschehen lassen. Die Weltgesellschaft jedoch ist keine Einbahnstraße, Staatsgrenzen halten weder Touristen noch Geschäftsleute noch die Verlierer auf. Masseneinwanderung in die EU sei nun Realität, das Leben auf der ‚ethnisch und (a)religiös homogenen Wohlstandsinsel‘ vorbei. Europa habe die Chance, aus seiner Müdigkeit und Zerrissenheit heraus zu treten.

Claus Leggewie; Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen

Lässt sich die Empathiewelle der ersten Monate über Jahre stabilisieren, oder muss sie notwendig ermüden?

Bei Langzeitsituationen neigt der Mensch zur Empathiknausrigkeit. Er hilft in spontaner Not und möchte den schnellen Erfolg sehen. In Abgrenzung zur empathisch motivierten Handlung ist die Hilfeleistung zu sehen, die aus der Identifikation mit Helfervorbildern rührt. Diese Identifikation mit moralischen Helden erlahmt rascher als Empathie. Es sei aktuell die Chance, echte Empathie aufzubauen, wofür beispielsweise die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu erschöpft waren.

Fritz Breithaupt; Professor für deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft und affilierter Professor für Kognitionswissenschaften an der Indiana University in Bloomington (USA)

Quellen und links

Philosophie Magazin

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 1 auf 1-sicht

Über Chancen und Risiken der aktuellen Migrationen – Beitrag 2 auf 1-sicht

Was zeichnet eine offene Gesellschaft aus? – Beitrag auf 1-sicht

Achtet auf die Worte. Vom Flüchtlingsstrom und anderem Metaphern mit fragwürdigem Unterton – Beitrag auf 1-sicht

Über Zaatari in Jordanien: Flüchtlingslager? Flüchtlingsstadt? – Reportage ‚Neuland‘ auf NZZ.at

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Menschenrechte – Artikel 9: Schutz vor willkürlicher Verhaftung

Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden.

Erläuterungen zu Artikel 9: Schutz vor willkürlicher Verhaftung

Artikel 9 der Internationalen Menschenrechte beschreibt den Schutz vor willkürlicher Verhaftung oder Ausweisung. Die Informationsplattform humanrights.ch hält dazu fest:

Jeder Staat hat zwar das Recht, Personen festzunehmen, in Haft zu behalten oder des Landes zu verweisen. Er verstösst aber gegen Menschenrechte, wenn er dabei willkürlich vorgeht, d.h. wenn er nicht in Übereinstimmung mit den Gesetzen handelt oder wenn diese Gesetze selbst ungerecht sind. Willkürlich ist auch, wenn ein Staat zufällig oder wahllos Personen festnimmt oder ausweist, ohne dass ein hinreichender Verdacht besteht, dass sie gegen die Rechtsordnung verstossen haben.

Aktualität

Deutschlands Sektion von Amnesty International beschreibt den Fall eines syrischen Flüchtlings (M.K.),  der nach eigenen Angaben in der Türkei Asyl beantragen und seine verwaisten minderjährigen Zwillingsschwestern aus Syrien nachholen wollte. Er wird seit 9. November 2015 im Istanbuler Sabiha-Gökçen-Flughafen in einem Raum, in dem Tag und Nacht künstliches Licht herrscht, festgehalten. Die türkischen Behörden werfen ihm vor, gefälschte Ausweispapiere vorgelegt zu haben.

Amnesty International stuft die Verhaftung als willkürlich ein „da weder das Ausländer- und Asylgesetz der Türkei von 2013 noch die Verordnung zum vorübergehenden Schutzstatus (Temporary Protection Regulation – TPR) aus dem Jahr 2014 eine rechtliche Grundlage bieten.“ Laut Amnesty International entspricht es „einer grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung“, für einen längeren Zeitraum in derartiger Form festgehalten zu werden.

Quellen und links

Amnesty International

Informationsplattform humanrights.ch

Informationsseite zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Über Menschenrechte auf 1-sicht

Über Menschenrechte auf 1-sicht

 

 

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand