Freihandelsabkommen zwischen Afrika und EU – Fluch oder Segen?

Angesichts der zahllosen Menschen, die Afrika verlassen und sich in Europa niederlassen wollen, versucht Europa – neben Aktionen wie ‚Schließung der Westbalkanroute‘ und ‚Sperren des Mittelmeeres‘ – auch langfristig sinnvolle Maßnahmen umzusetzen,  die die Fluchtursachen (Kriege, Hunger, Dürre, wirtschaftliche Not, Seuchen etc.) verringern.

Die Bekämpfung der Fluchtursachen wird jedoch durch die Handelspolitik konterkariert, konstatiert Thomas Otto im Deutschlandfunk am 28.8.2017.

In sogenannten Wirtschaftspartnerschaften sollen die Länder Afrikas ihre Märkte für EU-Produkte stärker öffnen – sonst können sie ihre Produkte nicht mehr vergünstigt nach Europa exportieren. Gleichzeitig sichert sich die EU Zugang zu wertvollen Ressourcen, die in Europa zum Beispiel für Computerchips benötigt werden. Wertschöpfung findet bei uns statt – und nicht in Afrika.

Europäische Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA, definieren die Handelsbeziehungen der EU bzw. ihrer Mitgliedsstaaten mit anderen Staatengruppen. Eines der von Thomas Otto kritisierten EPAs könnte jenes mit der „Southern African Development Community Economic Partnership Agreement States“  (SADC EPA Staaten) sein. Die SADC EPA Staaten sind Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika und Lesotho. Das EPA mit den SADC EPA Staaten ist seit Oktober 2016 in Kraft. Es wurde von allen Mitgliedsstaaten der EU, der Europäischen Union selbst und Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika und Lesotho unterzeichnet und regelt in 122 Artikeln, 6 Anhängen und 4 Protokollen, welche Güter in welchen Jahren in welchem Ausmaß gehandelt werden.

Mit diesem Freihandelsabkommen erhielten Namibia, Botswana, Swasiland und Lesotho einen zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Südafrika als stärkere Volkswirtschaft muss nur auf einen sehr kleinen Anteil seiner EU-Exporte Abgaben zahlen. Im Gegenzug mussten die afrikanischen Länder ihre Märkte für Produkte aus Europa öffnen und Zölle für 86 Prozent der Einfuhren beseitigen.

Kritik an Freihandelsabkommen

Die EU-Kommission rühmte das Abkommen, denn die ärmsten Länder hätten nun die Möglichkeit, „aufgrund der abgeschafften Zollschranken europäische Waren zu einem geringeren Preis zu importieren“. Befürworter glauben an Wachstum, Innovation, Anreiz für Reformen, erleichterten Zugang zu technischem Wissen.

Andererseits warnen Kritiker wie zum Beispiel die Organisationen Oxfam und Brot für die Welt vor den negativen Auswirkungen der Freihandelsabkommen. Der Verzicht der Zölle reduziere die Staatseinnahmen, die in Infrastrukur, Bildung, Gesundheit investiert werden (Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei der Entwicklungsorganisation Oxfam). Außerdem können die regionalen Landwirtschaftsprodukte mit den Produkten der hochsubventionierten EU-Landwirtschaft nicht mithalten. Die lokalen Märkte werden zerstört. (Francisco Mari, Referent für Handelspolitik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt).

Auf den Märkten südlich der Sahara findet man massenweise italienisches Tomatenmark, deutsche Hühnerschenkel oder Nestlé-Milchpulver. Afrikanische Bauern können dagegen ihren erleichterten Marktzugang zur EU gar nicht ausschöpfen: Ihre Güter sind sowohl im eigenen Land als auch in Europa teurer als die künstlich verbilligten europäischen Produkte. (Süddeutsche Zeitung, 23. November 2016)

Insbesondere die europäische Fleisch- und Milchindustrie produziere Überschüsse, die von Konzernen nach Afrika exportiert werden.

Eine Folgenabschätzung geht davon aus, dass das EPA mit den SADC EPA Staaten den Anteil der Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, in Südafrika bis 2035 gerade einmal um 0,02 Prozent senken wird. In Namibia liege der Wert bei 0,03 Prozent.

Die Grenze zur extremen Armut liegt jedoch bei 1,25 Dollar pro Tag.

Quellen und links

Deutschlandfunk, 28. August 2017

Süddeutsche Zeitung, 23. November 2016

EURACTIV, 11. Oktober 2016

Europäisches Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) – September 2016

OXFAM

Brot für die Welt

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand