Migration weltweit mit Fokus auf Afrika

70,8 Millionen Menschen galten Ende 2018 als Flüchtlinge, Asylsuchende oder intern Vertriebene. Das waren doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. (Quelle: Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, NZZ). Deutschland hatte 2018 rund 83 Millionen Einwohner, Frankreich rund 67 Millionen, Großbritannien rund 66 Millionen. Mehr Frauen, Männer und Kinder, als in Frankreich leben, waren 2018 auf der Flucht oder emigrierten.

Eine zynische Quizfrage könnte lauten: „Wer beherbergt weltweit die meisten Flüchtlinge? Bringen Sie die folgenden, alphabetisch gereihten Staaten in die entsprechende Reihenfolge:“

  • Asien und Pazifik
  • Europa
  • Naher Osten und Nordafrika
  • Nord- und Südamerika
  • Subsahara-Afrika
  • Türkei

Manche mag die richtige Antwort überraschen:

Migration: Afrika beherbergt die meisten Flüchtlinge

Subsahara-Afrika sind jene Länder, die ganz oder teilweise südlich der Sahara liegen. Dort leben insgesamt 920 Millionen Menschen und derzeit über 6,3 Millionen Flüchtlinge. Das sind mehr als als ein Viertel aller Flüchtlinge weltweit und mehr als doppelt so viele wie in Europa, wo 746 Millionen Menschen leben.

Uganda bietet 1,2 Millionen Flüchtlingen – die meisten aus den Nachbarstaaten – Schutz, der Sudan 1,1 Millionen und Äthiopien 903.000. Uganda und Sudan nahmen allein 2017 rund eine Million Flüchtlinge, die meisten davon aus dem Südsudan, auf. In vielen Ländern Afrikas übersteigt die Zahl der Immigranten jene der Emigranten (positiver Migrationssaldo). Das gilt für Südafrika (4 Millionen Zu-, 1 Million Auswanderer), Kenya, Äthiopien, Uganda und die Elfenbeinküste. Zu den Immigranten gehören Flüchtlinge und Arbeitssuchende aus den oft ärmeren Nachbarländern.

Laut UNHCR leben 80 Prozent aller Flüchtlinge in einem Nachbarstaat ihres Heimatlandes. Zwei Drittel der Flüchtlinge stammen aus lediglich fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Sudsudan, Burma, Somalia.

Asylsuchende, die nach Europa reisen

Aus welchen Ländern kommen die Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa reisen? In den ersten 8 Monaten des Jahres 2019 kamen rund 10.000 aus Afghanistan, über 6.000 aus Syrien.

2019 stammen rund zwei Drittel der afrikanischen Migranten in Europa aus Marokko, Kongo-Kinshasa, Mali, Elfenbeinküste und Guinea.

Migrationsabsichten

Laut einer weltweiten Gallup-Umfrage (2017) haben weltweit 14 Prozent der Menschen den Wunsch, zu emigrieren. In Subsahara-Afrika liegt der Prozentsatz bei 31, in Nordafrika inklusive Naher Osten bei 22, in Lateinamerika bei 23 und in europäischen Nicht-EU-Ländern bei 27 Prozent. Das afrikanische Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer erhob 2018, dass 20 Prozent jener Afrikaner, die einen Emigrationswunsch hegen, Europa zum Ziel haben, 47 % ein anderes afrikanisches Land. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen wollen ihr Land verlassen.

Quellen und links

„Sitzt ein ganzer Kontinent auf gepackten Koffern? – Acht Antworten zur Migration aus Afrika“, NZZ, 20.9.2019

Subsahara-Afrika, aus: Wikipedia

Europa, aus: Wikipedia

„Syriens Nachbarn und die Flüchtlinge“, auf 1-Sicht

Flüchtlinge in und aus Afrika
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Freihandelsabkommen zwischen Afrika und EU – Fluch oder Segen?

Angesichts der zahllosen Menschen, die Afrika verlassen und sich in Europa niederlassen wollen, versucht Europa – neben Aktionen wie ‚Schließung der Westbalkanroute‘ und ‚Sperren des Mittelmeeres‘ – auch langfristig sinnvolle Maßnahmen umzusetzen,  die die Fluchtursachen (Kriege, Hunger, Dürre, wirtschaftliche Not, Seuchen etc.) verringern.

Die Bekämpfung der Fluchtursachen wird jedoch durch die Handelspolitik konterkariert, konstatiert Thomas Otto im Deutschlandfunk am 28.8.2017.

In sogenannten Wirtschaftspartnerschaften sollen die Länder Afrikas ihre Märkte für EU-Produkte stärker öffnen – sonst können sie ihre Produkte nicht mehr vergünstigt nach Europa exportieren. Gleichzeitig sichert sich die EU Zugang zu wertvollen Ressourcen, die in Europa zum Beispiel für Computerchips benötigt werden. Wertschöpfung findet bei uns statt – und nicht in Afrika.

Europäische Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA, definieren die Handelsbeziehungen der EU bzw. ihrer Mitgliedsstaaten mit anderen Staatengruppen. Eines der von Thomas Otto kritisierten EPAs könnte jenes mit der „Southern African Development Community Economic Partnership Agreement States“  (SADC EPA Staaten) sein. Die SADC EPA Staaten sind Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika und Lesotho. Das EPA mit den SADC EPA Staaten ist seit Oktober 2016 in Kraft. Es wurde von allen Mitgliedsstaaten der EU, der Europäischen Union selbst und Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika und Lesotho unterzeichnet und regelt in 122 Artikeln, 6 Anhängen und 4 Protokollen, welche Güter in welchen Jahren in welchem Ausmaß gehandelt werden.

Mit diesem Freihandelsabkommen erhielten Namibia, Botswana, Swasiland und Lesotho einen zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Südafrika als stärkere Volkswirtschaft muss nur auf einen sehr kleinen Anteil seiner EU-Exporte Abgaben zahlen. Im Gegenzug mussten die afrikanischen Länder ihre Märkte für Produkte aus Europa öffnen und Zölle für 86 Prozent der Einfuhren beseitigen.

Kritik an Freihandelsabkommen

Die EU-Kommission rühmte das Abkommen, denn die ärmsten Länder hätten nun die Möglichkeit, „aufgrund der abgeschafften Zollschranken europäische Waren zu einem geringeren Preis zu importieren“. Befürworter glauben an Wachstum, Innovation, Anreiz für Reformen, erleichterten Zugang zu technischem Wissen.

Andererseits warnen Kritiker wie zum Beispiel die Organisationen Oxfam und Brot für die Welt vor den negativen Auswirkungen der Freihandelsabkommen. Der Verzicht der Zölle reduziere die Staatseinnahmen, die in Infrastrukur, Bildung, Gesundheit investiert werden (Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei der Entwicklungsorganisation Oxfam). Außerdem können die regionalen Landwirtschaftsprodukte mit den Produkten der hochsubventionierten EU-Landwirtschaft nicht mithalten. Die lokalen Märkte werden zerstört. (Francisco Mari, Referent für Handelspolitik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt).

Auf den Märkten südlich der Sahara findet man massenweise italienisches Tomatenmark, deutsche Hühnerschenkel oder Nestlé-Milchpulver. Afrikanische Bauern können dagegen ihren erleichterten Marktzugang zur EU gar nicht ausschöpfen: Ihre Güter sind sowohl im eigenen Land als auch in Europa teurer als die künstlich verbilligten europäischen Produkte. (Süddeutsche Zeitung, 23. November 2016)

Insbesondere die europäische Fleisch- und Milchindustrie produziere Überschüsse, die von Konzernen nach Afrika exportiert werden.

Eine Folgenabschätzung geht davon aus, dass das EPA mit den SADC EPA Staaten den Anteil der Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, in Südafrika bis 2035 gerade einmal um 0,02 Prozent senken wird. In Namibia liege der Wert bei 0,03 Prozent.

Die Grenze zur extremen Armut liegt jedoch bei 1,25 Dollar pro Tag.

Quellen und links

Deutschlandfunk, 28. August 2017

Süddeutsche Zeitung, 23. November 2016

EURACTIV, 11. Oktober 2016

Europäisches Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) – September 2016

OXFAM

Brot für die Welt

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand