Der Milliardär Robert Mercer und sein Propagandanetzwerk

Schon von CNSnews.com gehört? Dort liest man, dass die Medien, wie wir sie bisher kannten, tot sind, weil man ihnen nicht trauen kann. Das kommt einem bekannt vor, hört man in jüngerer Zeit oft. The Guardian  hat sich auf CNS-Spurensuche begeben. (Carole Cadwalladr, 26. Februar 2017)

Eigentümer der website ist Media Research Center, nach eigenen Angaben Amerikas Medienüberwachungsplattform, die den ‚Linksdrall‘ bei Nachrichten, Medien und in der populären Kultur neutralisieren möchte.  Hauptfinanzier der website ist Robert Mercer, der zuerst Ted Cruz im Präsidentschafts-Wahlkampf unterstützte und dann, als dieser ausschied, sich großzügig Donald Trump zuwandte. 13,5 Millionen Dollar sollen es gewesen sein, die Mercer, ehemaliger IBM-Forschungsmitarbeiter, in Trumps Kampagne fließen ließ. Nicht nur das. Seit 2010 spendete er für republikanische Politkampagnen 45 Millionen Dollar und weitere 50 Millionen Dollar für rechte und konservative Non-profit-Organisationen. Eine der Organisationen, die sich über Mercers finaziellen Zuspruch freuen darf, ist das Heartland Institute, ein thinktank, der den Klimawandel leugnet.

Mercer, Bannon und ein kleines britisches Big-Data-Unternehmen

Das Media Research Center ist einer der Ausgangsorte, von denen die Medienwelt, wie wir sie kennen, gestört werden soll. Sehr hilfreich ist dabei Steve Bannon, der als Trumps Kampagnenmanager wirkte und jetzt sein Chefstrategist ist. Mit Mercers Geld – 10 Millionen Dollar davon – sponserte Bannon die Online-Seite Breitbart, gegründet von Andrew Breitbart, nach dessen Tod von Bannon in dessen Sinn forgeführt: antisemitisch, islamophobisch und mit dem Ziel, ‚die Kultur zurück zu holen‘. Nicht nur in USA, 2014 ging Breitband in London online.

Sehr hilfreich ist weiters das kleine britische Analytikunternehmen Cambridge Analytica, bei dem Mercer Anteile von 10 Millionen Dollar hält. Cambridge Analytica beschreibt sich als spezialisiert auf ‚Wahlmanagement-Strategien‘ und ‚Kommunikations- und Informationsmethoden‘, welche in mehr als 25 Jahren in beispielsweise Afghanistan und Pakistan zu hoher Reife verfeinert wurden. In militärischen Kreisen spricht man von psychologischen Operationen. Anders ausgedrückt: Massenpropaganda, die auf die Emotionen der Menschen wirkt. Das Unternehmen arbeitete für die Wahlkampagne des nunmehr 45. US-Präsidenten. Es arbeitete auch für die Leave-Kampagne in Großbritannien (Brexit). Nigel Farage, der Frontmann der britischen Anti-EU-Kampagne, soll ein Freund der Familie Mercer sein.

Es begann mit einem Quiz.

Jonathan Albright, Professor der Kommunikationswissenschaften der Elon Universität in  North Carolina machte das News-Netzwerk mit seinen Millionen von links zwischen rechtsorientiertierten Seiten sichtbar, über das auch Unternehmen wie Cambridge Analytica Menschen im web folgen können und dann punktgenaue Werbung auf den social-media-Plattformen platzieren können. Das Analyseunternehmen prahlt auf der eigenen website damit, psychologische Profile, basierend auf 5.000 einzelnen Datenmerkmalen von 220 Millionen amerikanischen WählerInnen zu haben – das entspricht fast der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung.

Das zugrunde liegende psychometrische Modell wurde am Psychometric Center der Universität Cambridge entwickelt und startete mit einem Persönlichkeitsquiz auf Facebook. Mehr als 6 Millionen machten mit und produzierten so diesen Datenschatz. Cambridge Analytica behauptet, durch die ‚likes‘ der Menschen und die Korrelierung derselben mit denen Millionen anderer, lernt der Algorithmus die Menschen besser kennen, als sie sich selbst. 150 likes und er weiß mehr über eine Person, als dessen PartnerIn, 300 und er kennt einen besser als man sich selbst.

Das nutzten die Trump-Leute ebenso wie die Brexit-Leute.

Algorithmen beeinflussen Verhalten und Anschauungen

Professor Rust, Direktor des Psychometric Center der Cambridge Universität – die Daten für die beiden Kampagnen sind nicht von seinem Institut, beteuert er – hält die Manipulationsmöglichkeit für brandgefährlich. Mit derartigen Daten könne ein Computer psychologisch agieren, menschliches Verhalten vorhersagen und beeinflussen. Es sei eine Art Gehirnwäsche.

„Es ist keine Übertreibung zu sagen, Denkweisen können beeinflusst werden.  … Niemand hat die Konsequenzen zu Ende gedacht. Die Menschen wissen nicht, dass das mit ihnen passiert. Ihre Geisteshaltungen werden hinter ihrem Rücken verändert.“ (Professor Jonathan Rust)

Mercer also investierte in Cambridge Analytica. Das hat die technologischen Möglichkeiten. Dessen Muttergesellschaft SCL ist spezialisiert auf die Entwicklung von Strategien – für beispielsweise keine Geringeren als NATO oder US-Außenministerium, schreibt Emma Briant, Spezialistin für Progaganda an der Universität Sheffield in ihrem 2015 erschienene Buch ‚Propaganda an Counter-Terrorism: Strategies für Global Change‘

Die Rolle der ‚Bots‘

Es scheint, dass gleichzeitig Massen- wie Individualkommunikation manipuliert werden. Beides mit Hilfe jener Plattformen, die – vorgeblich – dazu gegründet wurden, die Menschen zusammen zu bringen. Emma Biant geht davon aus, dass wir in einem neuen Zeitalter der Propaganda leben. Einem Zeitalter, in dem die Überwachung durch Technologie durchdringend ist und das Sammeln und Nutzen der Daten so raffiniert wie nie zuvor. Verdeckt und von den meisten unbemerkt.

Wer steuert die Propaganda? Von wem geht sie aus?

Sam Wolley vom Oxford Internets Institute hat beobachtet, dass vor dem EU Referendum Großbrittanniens, ein Drittel des Gezwitschers auf Twitter von automatisierten ‚bots‘ ausging. Bots sind Profile, die aussehen wie Menschen, agieren wie Menschen und die dafür programmiert sind, die Konversation zu verändern und Trendthemen zu generieren. Diese bots waren alle für den Brexit. Vor der US-Wahl stand es 5 zu 1 für Trump, viele von ihnen waren russisch.

Um die Meinungs- und Emotions- und sonstige Führerschaft zu erlangen,  heißt es nun, die Trendthemen geschickt  in die eigene Kommunikation – online wie offline – einzubauen. Die Penetranz, mit der dies geschieht, ist dem Algorithmus geschuldet.  Denn der reflektiert ja wiederum auf die Trendthemen.

Phil Howard, Direktor des Oxford Internet Institutes, Abteilung für computergesteuerte Propaganda, machen die zahllosen Schläfer-bots Sorgen. Tausende Twitter accounts, die nur ein oder zweimal zwitscherten und jetzt geduldig auf einen Auslöser warten.

Man führe sich  vor Augen: Technologie, die in einem autoritären Regime entwickelt und verfeinert wird, kommt in einem freien Markt mit diesbezüglichem Regulationsvakuum zum Einsatz. Das kann ungemütlich werden.

Investigativjournalismus speist Mercers Manipulationsmaschinerie

Wie dringt die eine Erzählung, die zählt, durch? Mittels hart recherchierter Fakten! Das überrascht.

Steve Bannon erklärt, es sei nur mittels hart recherchierter Fakten möglich, direkt auf die Titelseite der New York Times zu kommen. Und dort will man hin, um die Botschaften der Anderen zu ertränken.

Mit 2 Millionen Dollar von Mercers Geld gründeten Bannon und andere das Government Accountability Institute (GAI). Mercers Tochter Rebekah wurde in den Aufsichtsrat bestellt und man gab sich dem teuren und langfristig ausgerichteten Investigativjournalismus hin. Was Bannon 2015 als das Graben im dunklen Web beschrieb, bei dem Daten ans Tageslicht kamen, die nicht einmal Google gefunden hatte. Ein Ergebnis dieser Recherche ist das Buch, das zum New York Times Bestseller avancierte: ‚Clinton Cash: The Untold Story of How and Why Foreign Governments and Businesses Helped Make Bill and Hillary rich.‘ Autor: Peter Schweizer, Präsident von GAI. Bannon und Rebekah Mercer produzierten auch einen Film darüber.

Mercer und Bannon, der eine versteht künstliche Intelligenz, der andere, wie Medien funktionieren. Es scheint, als beherrschten die beiden sogar bereits die Big-Data-Giganten Google und Facebook.

Marshall McLuhan, der große Informationsvordenker und -theoretiker der 1960er Jahre wird wie folgt zitiert: „Der 3. Weltkrieg wird ein Guerillakrieg um Informationen. Ohne Unterscheidung zwischen militärischer und ziviler Beteiligung.“

Quellen und links

the Guardian, 26. Februar 2017: Robert Mercer: the big data billionair waging war on mainstream media, Carol Cadwalladr

Emma briant: Propaganda and Counter-Terrorism: Strategies for Global Change

the Guardian, 4. März 2017:
Cambridge Analytica affair raises questions vital to our democracy

Did Cambridge Analytica influence the Brexit vote and the US election?

Über Cambridge Analytica auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand