1-sicht empfiehlt Lese-, Hör-, Sehstoff: Juli 2016

Lesestoff:
Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr

Ein provokantes Buch des Journalisten Wolfgang Koschnick, in dem er, so formuliert es Maicke Mackerodt auf Ö1,  den Abschied von einer Illusion zelebriert. Die Parteien seien die „letzten Dinosaurier“ und der Klotz am Bein der Demokratie geworden und „Berufspolitiker die Totengräber der Demokratie“.

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr
Bild: www.westendverlag.de

Rezension: Ö1, Sendung Kontext am 16.7.2016

Für die meisten Menschen ist die klassische Schulbuch-Demokratie das ideale Herrschaftssystem. Ein politisches System, das ihnen Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte garantiert. In dem die Gewaltentrennung das Volk davor schützt, dass ein Herrscher oder eine Partei die gesamte Macht an sich reißt. Soweit die Theorie. In der Realität hat sich quer durch alle modernen westlichen Demokratien Vertrauensverlust und Politikverdrossenheit breit gemacht. Gut die Hälfte der Wahlberechtigten geht in vielen Ländern nicht mehr wählen. Das Image von demokratisch gewählten Politikern dümpelt auch in Österreich auf historischem Tiefststand, sogar Banker, Immobilienmakler und Prostituierte rangieren in Umfragen vor ihnen.

Wolfgang Koschnick verachtet unverhohlen die Abgeordneten, Berufspolitiker und Parlamentarier. Sie sind für ihn willige Helfershelfer der Reichen und Superreichen und des Kapitals. Der Autor spart auf 290 Seiten nicht mit Schimpftiraden und drakonischen Bildern, spricht von Parlamenten als Abnickvereinen, vom demokratischen Staat als macht- und geldgierigem Monster, vom Würgegriff der Fraktionen. Wer Argumente für die Politikerschelte sucht, wird in der gut analysierten Zusammenfassung sicher fündig. Vieles ist aber nicht neu, denn der Journalist hat seine Thesen größtenteils schon vor drei Jahren in dem Onlinemagazin Telepolis veröffentlich. Auch wenn man sich beim Lesen weniger schwarz-weiß-Klischees wünscht und gelegentliche Wiederholungen nerven, hat Wolfgang Koschnick recht, wenn er feststellt, dass die Kluft zwischen Reich und Arm in allen Demokratien nahezu täglich größer wird und die demokratische Politik tatenlos zuschaut. Schön zu beobachten sei das auch im amerikanischen Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump.

Quellen und links

Radiosender Ö1

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr, Wolfgang Koschnick, Verlag Westend, 2016

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand