Nadia Murad – Friedensnobelpreis 2018

Der Friedensnobelpreis 2018 wird an Nadia Murad (Irak) und Denis Mukwege (Kongo) verliehen. Aus diesem Anlass wiederholt 1-sicht einen Beitrag aus dem Jahr 2016 über die irakische Jesidin Nadia Murad- ergänzt um links zu aktuellen Berichten über Murad und Mukwege, die den Preis für ihren jeweiligen Kampf gegen sexuelle Gewalt erhalten haben. Beide wurden auch bereits mit dem Sacharow-Preis („EU-Menschenrechtspreis“) ausgezeichnet; Denis Mukwege 2014, Nadia Murad 2016.

Nadia Murad – eine der 100 einflussreichsten Personen

1-sicht vom 9. Mai 2016

Alljährlich kürt das Magazin TIME die seiner Einschätzung nach einflussreichsten Persönlichkeiten – dieses Jahr veröffentlicht in der Ausgabe vom 2. – 9. Mai 2016. Ernannt sind Frauen und Männer in den Kategorien

  • Pioniere
  • Titanen
  • Künstler
  • Führungspersönlichkeiten
  • Ikonen

Die jeweils Erstgenannten sind

  • Pioniere: Lin-Manuel Miranda, 36 Jahre, Broadway Star.
  • Titanen: Priscilla Chan und Mark Zuckerberg, beide 31 Jahre, Philantropen
  • Künstler: Priyanka Chopra, 33, Schauspielerin
  • Führungspersönlichkeiten: Christine Lagard, 61 Jahre, IWF
  • Ikonen: Leonardo Dicaprio, 41 Jahre, Schauspieler und Umweltschützer

Nadia Murad – eine Zeugin der Kriegsgräuel in Syrien

Nadia Murad ist in der Kategorie Pioniere genannt.  Die Angehörige der Jesiden   hat trotz ihrer erst 23 Jahre eine unvorstellbare Leidensgeschichte als mehrfaches Opfer des Kriegsgeschehens in Syrien erlebt. Mit 19 Jahren verlor sie ihr Zuhause, ihr Land, ihre Kultur. Ihre Mutter wurde ermordet und sie musste mit ansehen, wie männliche Verwandte umgebracht wurden. Sie selbst wurde entführt, verkauft und ungezählte Male von ISIS-Mitgliedern vergewaltigt.

Nun reist sie um die Welt, um diese auf den Genozid, der an ihrem Volk begangen wurde und begangen wird, aufmerksam zu machen. 3000 Jesidinnen sind immer noch in Gefangenschaft der ISIS.

2015 sprach Murad in New York im Rahmen des ersten Treffen des UN Sicherheitsrates betreffend Menschenhandel und erzählte ihre persönliche Geschichte.

Nun, da Europa seine Grenzen gegenüber terrorisierten Flüchtlingen schließt und auch die USA sich abwendet – vergessend, dass es der US-geführte Krieg im Irak war, der ISIS groß machte; dass es zurückgelassene US-Waffen sind, die in die Hand von ISIS gelangten – zählt Nadia Murad zu den wichtigen Stimmen, die auf die Verantwortung der Welt gegenüber dem jesidischen Volk aufmerksam machen.

Quellen und links

TIME, 2.-9 Mai 2016; Der   Beitrag „Nadia Murad: A witness for war’s victims“ ist von Eve Ensler, Dramatikerin und Schriftstellerin, und hier in zusammengefasster Übersetzung wiedergegeben.

Über Jesiden auf wikipedia

Über Sklaverei auf 1-sicht

Über Eve Ensler auf wikipedia

„Friedensnobelpreis 2018: Nadia Murad und Denis Mukwege – was Sie über die beiden wissen müssen“; Spiegel online, 5.10.2018

„Ich empfand gar nichts mehr. Die Frau, die dem IS entkam.“; Spiegel online, 28.10.2017

Sacharow-Preis, wikipedia

über den Friedensnobelpreis lesen
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Lesbos – kleine Insel, große Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge

Diverse Präsidentschaftswahlen (USA, Österreich) und das stete Bemühen zahlreicher österreichischer PolitikerInnen, asylsuchende Menschen unter Hinweis auf Notstände von Österreich fern zu halten, lässt unter Umständen übersehen, dass

a) zum Beispiel  in Syrien nach wie vor Krieg ist

b) Menschen nach wie vor versuchen, ihr Leben und das ihrer Lieben zu retten

c) die sogenannte Flüchtlingskrise somit nach wie vor besteht (nur  für Österreich weniger unmittelbar ist als im Vorjahr)

d) anderenorts Menschen nach wie vor sehr unmittelbar solidarisch gefordert sind und sich um jene Menschen kümmern, die die Fahrt über das Mittelmeer bewältigen konnten.

Einer dieser Orte ist die griechische Insel Lesbos, die jüngst in den Medien hierzulande sehr knapp  erwähnt war, weil in einem Flüchtlingscamp in Moria Feuer ausgebrochen ist, bei dem eine 66-jährige Frau und ein 6 Jahre altes Kind ums Leben kamen.

Lesbos für Friedensnobelpreis nominiert

Im August 2012 kamen die ersten Flüchtlinge in Booten auf Lesbos an. Seitdem hat sich das Leben auf der bei TouristInnen beliebten Insel erheblich verändert. Trotz der großen Krise, die Griechenland selbst durchmachte, entwickelten die Menschen auf Lesbos eine tatkräftige Hilfsbereitschaft  – in Ausmaß und  Ausdauer derart vorbildlich, dass sie für den Friedensnobelpreis 2016 nominiert wurden. Dieser ging zwar an den Präsidenten von Kolumbien, doch zwei  der vielen Personen, die sich auf Lesbos humanitär engagieren (Kapitän Konstantinos Mitragas und Efi Latsoudi), wurden mit dem UNHCR’s Nansen Preis 2016 ausgezeichnet.

Alte Frauen kochten, kümmerten sich um Babys, halfen beim Wäsche waschen. Jüngere Menschen etablierten selbst organisierte Flüchtlingsunterkünfte.  Lokale Fischersleute retteten Scharen von Menschen aus dem Wasser. Der Fotograf Daniel Etter schuf diesen Menschen mit seiner Ode an Lesbos ein berührendes Denkmal, das ob etwaiger eigener Untätigkeit auch eine gewisse Beschämung auszulösen im Stande ist.

Mit Status September waren es 93.600 Flüchtlinge, die allein 2016 auf Lesbos ankamen.  Das sind etwas mehr Menschen, als auf der Insel leben. Die meisten Ankommenden versuchten, nach Athen zu ziehen. Mehr als 6.000 Asylsuchende leben auf Lesbos.

Lesbos
Kapitän Konstantinos Mitragas und Efi Latsoudi erhielten den UNHCR’s Nansen Preis für ihr humanitäres Engagement, Quelle: The Guardian, Photograph: Gordon Welters/UNHCR

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Lesbos scheinen ihre Hilfsbereitschaft als Selbstverständlichkeit zu verstehen. Das – so ein Erklärungsversicht – liege daran, dass sie selbst von Flüchtlingen abstammen. Rund 60 % der 90.000 EinwohnerInnen sind Nachfahren jener 1,2 Millionen Griechisch Orthodoxen Christen, die in den 1920er Jahren aus der Türkei vertrieben wurden.

Quellen und links

The Guardian, 25.November 2016

Ode an Lesbos: The Guardian, 5. Oktober 2016

The Guardian, 6. September 2016

Friedensnobelpreis

UNHCR Nansen Award

Leseempfehlung von 1-sicht: Navid Kermani, Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand