My Personality – Persönlichkeitstests sammeln persönliche Daten

Sie wollen wissen, welches Tier Sie wären, wären Sie ein Tier? Oder welche Charaktereigenschaft Ihre hervorstechendste ist? Machen Sie mit bei einem Quiz auf Facebook. Sie werden erfahren, dass Sie zum Beispiel ein zitronengelber Falter wären. Oder Willensstärke Ihre Persönlichkeit auszeichnet. Die Entwickler der Quiz-App werden noch viel mehr über Sie erfahren, denn um zu der erhellenden Erkenntnis zu gelangen, ein zitronengelber Falter zu sein, geben Sie etliche persönliche Angaben preis und teilen die Erkenntnis Freundinnen und Freunden via social media mit. Vorausgesetzt, Sie nehmen den Quiz ernst. Was offensichtlich viele Menschen tun.

My Personality

My Personality war die erste Quiz-App, die auf diesem vergleichsweise einfachen Weg Persönlichkeitsdaten schürfte. Mussten Forscherinnen und Forscher, die das menschliche Verhalten untersuchten, in prä-social-media-Zeiten mühsam Menschen finden, die sich für Verhaltensforschung zur Verfügung stellten, liegen die Daten in der social-media-Welt gleichsam neben dem Weg. 2007 erkannte dies der damalige stellvertretende Direktor des Zentrums für Psychometrie an der Cambridge Universität, Michal Kosinksi. Er entwickelte My Personality und häufte mittlerweile Details von über 6 Millionen Facebook-Usern an. Andere Wissenschafter folgten. Zum Beispiel Alexandr Kogan, Psychologieprofessor an der Cambridge Universität. Er sammelte Daten. Und er verkaufte Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Usern an das Politikberatungsinstitut Cambridge Analytica, das ein Naheverhältins zum Wahlkampfteam von Donald Trump hatte und – so die Schlussfolgerung – das den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl 2016 massiv steuerte, indem dank detaillierter Kenntnis der einzelnen WählerInnen passgenaue individuelle Botschaften gesendet wurden (Mikrotargeting).

Im März 2018 deckten New York Times und Observer of London den Datenhandel auf. Seither sieht sich Cambridge Analytica mit Klagen überhäuft und hat die Geschäftstätigkeit eingestellt.

Scraper – automatisch Daten schürfen

Im Juli 2014 startete ein Team aus schwedischen und polnischen Forschern mittels Programm (scraper), Kommentare und Interaktionen von 160 öffentlichen Facebook-Seiten automatisch aufzuzeichnen. Im Mai 2016 verfügten sie über genügend Informationen, um das Verhalten von 386 Millionen Facebook-Mitgliedern zu kennen. Einer der Forscher dieses Teams, Fredrik Erlandsson, Lektor am Blekinge Technologie-Institut, zeigt sich besorgt, wie leicht das Sammeln der Daten mittels scraper möglich ist. Das Team veröffentlichte seine Erfahrungen und Einschätzungen im Dezember 2017 im Journal Entropy. Die Resonanz war mäßig. Nach Bekanntwerden des Datenhandels zwischen Universität und Politikberatungsinstitut im März 2018 verzeichnete Erlandsson gesteigertes Interesse.

Es ist davon auszugehen, dass im vergangenen Jahrzehnt zahllose Forschungsgruppen, Doktoranden, aber auch Meinungsforscher und Werber Persönlichkeitsdaten via social media geschürft haben. Selbst wenn Forscher höchst seriös an der Anonymisierung arbeiten, wird es immer undichte Stellen geben, konstatiert Rasmus Kleis Nielsen, Professor für politische Kommunikation an der Oxford Universität. Zudem: Je mehr Daten angehäuft wurden, desto leichter ist es, einen Datensatz mit einem zweiten zu verbinden und das Individuum zu identifizieren. Bereits 2015 veröffentlichte das Journal Science, dass mit nur 4 zufälligen Informationen aus social media 90% der Online-Käufe mittels Kreditkarte der Person zugeordnet werden konnten.

Forscher sitzen auf Datenbergen

Times überprüfte zahlreiche Datensets, die von Forschungseinrichtungen angehäuft wurden. Zum Beispiel:

2008: Deutsche AkademikerInnen sammelten Daten von 60.000 Facebook-Usern. Die Fragestellung lautete: Wie verändern sich online-Freundschaften im Laufe der Zeit?

2013: Eine norwegische Forschergruppe fokussierte auf das gesellschaftliche Engagement von 21 Millionen Facebook-Nutzern auf 4 Kontinenten.

2015 – 2017: Dänische und neuseeländische ForscherInnen untersuchten 1,3 Millionen Menschen in Dänemark. Die Fragestellung lautete: Lässt sich das Wahlverhalten einer Person, die eine politische Partei auf Facebook liked, vorhersagen?

Privatsphäre auf Facebook?

Zwar gab sich Facebook eine Richtlinie, die das Nutzen von scraper-Programmen untersagt. Doch gegenüber Forschungseinrichtungen kam diese nicht zur Anwendung. 2014 limitierte das Netzwerk den Zugang von Apps fremder Anbieter. Nach der Veröffentlichung des Datenhandels ermöglicht das Netzwerk den Usern mehr Kontrolle über die Privatsphäre-Einstellungen. Auch der Zugang für ForscherInnen soll eingeschränkt werden. Dies evoziert wiederum Kritik. Rasmus Kleis Nielsen sieht die Gefahr der Asymmetrie. ForscherInnen innerhalb des Netzwerkes akkumulieren Informationen, die unabhängigen Universitäten verwehrt bleiben.

Es bleibt die Frage: Was passiert mit den persönlichen Informationen und wie und von wem kann der Umgang geregelt werden?

Michal Kosinski, Entwickler von My Personality: „Was Kogan getan hat, war falsch. Aber was Kogan getan hat, tun andere in größerem Ausmaß. Sie werden nur nicht erwischt.“

Quellen und links

New York Times, Scholars Have Data on Millions of Facebook Users. Who’s Guarding it?, Sheera Frenkel, 9. Mai 2018

über Cambridge Analytica auf wikipedia

Journal Entropy, Do we really need to catch them all?, Fredrik Erlandsson, Piotr Brodka, Martin Boldt, Henric Johnson, Dezember 2017

1-sicht,  Der Milliardär Robert Mercer und sein Propagandanetzwerk

1-sicht, Facebook: Wenn user sich für Kunden halten

lesen ist besser, als bei My Personality mitmachen
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Facebook: Wenn User sich für Kunden halten

Mark Zuckerberg hat eine Vision: Er will es uns ermöglichen, uns zu Gemeinschaften zusammenzufinden. Er entwickelt dafür eine Plattform: Facebook. Er stellt sie den Gemeinschaftssuchenden gratis zur Verfügung.

Manche nennen das Geschäftsmodell. Sogar Geschäftsmodell aller Geschäftsmodelle, denn die Plattform generiert den für den modernen Markt notwendigen Treibstoff – Personendaten – kostenlos.

Mit knapp 70 Aktionen auf Facebook (likes, shares, Kommentar etc.) wissen die Algorithmen dieses sozialen Mediums mit sehr hoher Treffsicherheit, ob diese Aktion von einem weißen oder schwarzen Mann, einer jungen oder alten Frau, einem Menschen mit homo- oder heterosexueller Neigung, Vorliebe für Langhaar- oder Kurzhaarschnitte etc. getätigt wurden.

Facebook bemüht sich darüber hinaus, seine Menschenkenntnis zu erweitern, und greift auf Daten außerhalb des eigenen Netzwerkes zu. Selbstlos erwirbt es weiters Informationen bei alteingesessenen Datenhändler, wie Acxiom, das in der Zeit von Adress- und Telefonnummernhandel groß wurde, oder Transunion und Experian, Wirtschaftsauskunfteien mit Fokus auf Kredit- und Gesundheitsindustrie.

Getreu der Vision, Menschen die Gemeinschaftsbildung zu ermöglichen, stellt Facebook seine Menschenkenntnis Unternehmen zur Verfügung, damit diese in gewinnbringende Beziehungen treten können.

Und nun steht Zuckerberg weltweit in der Kritik. Vor dem US-Kongress muss er Rede und Antwort stehen. Der knapp 34-Jährige immer noch jungenhaft wirkende Multimilliardär tauscht legeren Pullover gegen Anzug und Krawatte und zeigt sich reumütig. Er habe, so sein Eingeständnis, zu wenig darauf geachtet, dass die Daten der gemeinschaftssuchenden Menschen Facebooks Geheimnis bleiben. Es sei seine Schuld, nicht verhindert zu haben, dass diese in die Hände respektive Rechner und Algorithmen einer politischen Beratungsfirma gerieten. Diese hat die facebooksche Menschenkenntnis genutzt, um den US-Wahlkampf (2016) sowie die Abstimmung in Großbritannien über Verbleib in oder Verlassen der EU (2015) zu beeinflussen. Ihr Name: Cambridge Analytica.

2018 wissen wir längst, wie die Entscheidungen hüben wie drüben des Atlantik ausgefallen sind. Donald Trump ist Präsident der USA, die Briten votierten für den Austritt aus der EU (Brexit). Trump wie Nigel Farage, Promotor der Brexit-Kampagne, warben ganz gezielt für ihr jeweiliges Anliegen. Wobei Ziel nicht mehr Zielgruppen waren, Einheiten von Personen, die nach Alter, Einkommen, Sinus-Milieu oder sonst einem Merkmal oder Merkmalmix zusammengefasst wurden. Ziel war das Individuum (Mikrotargeting). Die von Cambridge Analytica auf Basis der Datenspuren, die man in Facebook und dessen sozialen Geschwistern wie Instagram, Whatsapp, Masquerade etc. hinterlässt, entwickelten Persönlichkeitsprofile hielten dem Realitätstest offensichtlich Stand, die punktgenaue Werbung und Argumentation, abgeleitet aus den persönlichen Einstellungen und Vorlieben der Person, fruchtete.

Es ist Zeit zu begreifen, dass man als Nutzer der sozialen Medien nicht Kunde, sondern Produkt ist. Man zahlt ja auch kein Geld für deren Nutzung.

Quellen und links

Wer sind die Datenhändler, von denen sich Facebook zurückzieht? Neuer Zürcher Zeitung NZZ

Facebook verfolgt seine Nutzer auf Schritt und Tritt. Neuer Zürcher Zeitung, NZZ

Global Hack, von Marc Goodman

Mit dem OCEAN-Modell im big-data-Ozean fischen, 1-sicht

Lesen ist besser, als auf Facebook zu posten.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Mails hacken war gestern.

Heute kapert man Twitter-Accounts von Ministeriumsmitarbeitern.

Dies legt jedenfalls ein Bericht der US-Spionagejäger vom 2. März 2017 über russische Spionageaktivitäten  nahe. (TIME, 29. Mai 2017: Hacking democracy – inside Russia’s social media war on America)

Es scheint Hinweise darauf zu geben, dass Russland sich nicht mehr damit begnügt, E-Mails oder websites zu hacken. Vielmehr soll es im Jahr 2016 während des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA über 10.000 Twitter-Accounts von MitarbeiterInnen des Verteidigungsministeriums infiziert haben. Man schickte zielgerichtet Nachrichten, zum Beispiel von Sport- oder Kulturveranstaltungen des Vortages. Der zugehörige link führte zu russisch kontrollierten Servern, die ein Programm installierten, das sich Zugriff auf das smartphone oder den Computer und damit auf den Twitter-Account nahm. Ab diesem Zeitpunkt war der ursprüngliche Account-Betreiber nicht mehr Herr über seine Nachrichten, der Account wurde auch von jemand anderem benutzt.

Von offiziellen Personen können also Nachrichten ausgehen, die diese gar nicht aussenden. Was kann es im Fall einer Naturkatastrophe oder eines Anschlages nach sich ziehen, wenn aus den Ministerien von fremder Hand gesteuerte Botschaften an die Bevölkerung gehen? Was bedeutet es für Informationsbeschaffung, Meinungsbildung allgemein und insbesondere im Zuge von Wahlkämpfen, wenn der Absender einer Nachricht in Wahrheit gar nicht der Absender ist. Die social media-Technologien, so zitiert TIME Forscher und Geheimdienstspezialisten, machen es möglich, die Grundfesten des demokratischen politischen Systems zu unterminieren.

Social Media-UserInnen sind offene Bücher

Wer auf den Plattformen von Twitter, Facebook und Co postet, liked, sonstwie Stellung bezieht, generiert eine riesige Datenmenge, die – weil von großem kommerziellen Interesse – gesammelt und gespeichert wird. Mittels mathematischer Formeln, Algorithmen, segmentiert man die unüberschaubare Datenflut in kleine Gruppen mit jeweils charakteristischen Merkmalen wie Kulturgeschmack, politischer Neigung, Religion. Innerhalb dieser erkennt man diejenigen, die am stärksten beeinflussbar sind und ihrerseits Einfluss haben. Mit maßgeschneiderten Botschaften wird versucht deren Meinungen und schließlich (Wahl-)Verhalten zu verändern. Auch Journalisten, die als beeinflussbar erscheinen, werden auf diese Weise aufgespürt und mit starken aber gefälschten Geschichten ‚versorgt‘. Diese Aufgabe übernehmen neben Menschen auch Trolle und Bots und andere von Menschenhand geschaffene künstliche Charaktere.

Troll-Farmen und fake-news-outlets

Bereits in 2012 soll Russlands Präsident Vladimir Putin Geheimdienstressourcen in die Errichtung von Troll-Framen, botnet-Aktivitäten und fake-news-outlets gelenkt haben.

Das Gerücht, Russland habe den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 via social media-Aktivitäten beeinflusst, hält sich – nicht nur unter VerschwörungstheoretikerInnen. Und es könnte etwas Wahres daran sein. ForscherInnen der Universität von Südkalifornien fanden heraus, dass rund 20% der politischen Tweets im Zeitraum 16. September bis 20. Oktober 2016 von bots unbekannter Herkunft stammen. Möglicherweise spielen dabei gemäß Untersuchungen des Kongresses auch 2 dem Präsidenten Trump nahestehende Organisationen eine Rolle:

  • Cambridge Analytica, an Datenanalysefirma, die zum Teil einem Sponsor des Präsidenten, Robert Mercer, gehört.
  • Breitbart News, eine Nachrichtenwebsite, die ehemals vom Berater des Präsidenten, Stephen Bannon, geführt wurde.

Politikveteranen halten die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten von Cambridge Analytica für begrenzt und das Unternehmen selbst sagt, keine Verbindungen zu Russland zu haben.

Nachweislich war in den Staaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania, die zu den wahlentscheidenden Swing-Staaten zählten, die Aufmerksamkeit auf Anti-Clinton-Berichte und fake-news gezogen.

Kontrolle versus Freiheit

Es scheint eine neue Wachheit bezüglich der Einflussmöglichkeiten innerhalb und durch social-media-Plattformen zu geben – sowohl bei den Geheimdiensten und PolitikerInnen, als auch bei Google, Twitter, Facebook. Diese setzen laut TIME Sicherheitsthemen verstärkt auf ihre Agenda, zumal davon ausgegangen wird, dass zukünftig die künstlichen Charaktere wie Trolle und Bots auch emotionsgeladene Botschaften zu formulieren imstande sein werden und diese nicht mehr von jenen der echten Menschen unterschieden werden können.

Die Frage ist, wie man zugleich Kontrollieren und die persönlichen Freiheitsrechte wahren kann. Wie im realen erleben wir auch im virtuellen Raum die Spannung zwischen Sicherheit und Freiheit.

Quellen und links

TIME, 29. Mai 2017, Hacking democracy – inside Russias’s social media war on America, von Massimo Calabresi

Time online

über cambridge analytica auf 1-sicht (Der Milliardär Robert Mercer und sein Propagandanetzwerk)

und noch einmal cambridge analytica auf 1-sicht (Mit dem OCEAN-Modell im Big-Data-Ozean fischen)

über Swing States 2016 auf politico

über die US-Präsidentschaftswahl 2016 auf wikipedia

über die US-Präsidentschaftswahl 2016 auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand