Wie Hacker das Vertrauen in das US-Wahlsystem unterminieren

Im Jahr 2009 hatten 59% der AmerikanerInnen Vetrauen in das US-Wahlsystem, 40% hatten keines. 2015 war es umgekehrt, 40% vertrauten. Kurz vor der Präsidentschaftswahl im November 2016 lag das Vertrauen bei 30%. 69% der BürgerInnen der USA hatten 2016 kein Vertrauen in ihr Wahlsystem. Das Magazin Time zitiert in Ausgabe 31. Juli 2017 diese Ergebnisse des Meinungsforschungsinstitutes Gallup in dem Artikel “ The secret history of election 2016″.

Genau dieser Vertrauensverlust könnte das Ziel diverser Hackerangriffe und -störungen der vergangenen Monate, die – initiiert von Moskau – nicht neu, in ihrem Tiefgang und damit ihrer Wirkung aber noch nicht dagewesen sind.

  • Im Juni 2016 meldeten WählerInnen des Riverside County (Kalifornien) im Zuge der Vorwahlen, dass sie ihre Stimme nicht abgeben konnten, weil ihre Registrierung nicht möglich war.
  • Drei Wochen später gelang der Eintritt in das Computersystem des Wahldistrikts 109 in Illionois. Dabei wurde Schadsoftware aufgespielt (SQL injection) und damit Zugriff auf 15 Millionen Datensätze von vergangenen und zukünftigen WählerInnen ermöglicht. Dieser Angriff blieb ungefähr 3 Wochen unbemerkt. Als versucht wurde, die Datensätze herunterzuladen, wurde ein Alarm aktiviert. 90.000 Files waren gestohlen worden, davon 75.000 mit persönlichen Daten wie Führerscheinnummer und die letzten 4 Ziffern der Sozialversicherungsnummer.
  • Etwa zur gleichen Zeit verzeichnete Arizona einen ähnlichen Angriff.
  • Mitte August wurden Angriffe in die Wahlsysteme Floridas und New Mexicos registriert.
  • In Tennesse wurde das stattliche Kampagnenfinanzierungssystem gehackt.
  • Im Oktober 2016 verzeichnete  die Software Firma VR Systems, die Wahlsoftware für mindestens 8 Bundesstaaten zur Verfügung stellt, einen Angriff, bei dem eine vermeintliche Firmen-E-Mail ausgesandt wurde, in der gegen MitarbeiterInnen von Wahlbehörden kampagnisiert wurde.

Es wurde klar, die Angriffe haben System. In Illionois existierte ein komplettes Backup von allen Daten vor dem Hackerangriff. So konnte das Federal Bureau of Investigation (FBI) nachvollziehen, dass der Angriff auf Änderung und Löschung von Wählerdaten (Namen und Adressen der WählerInnen) abzielte. Aufgrund der aufgezeichneten IP-Adressen war es möglich, die Quelle des Angriffes zu identizieren: eine Gruppe namens Fancy Bear, die als ein Arm des russischen Militärnachrichtendienstes GRU agiert.

Mittlerweile weiß man, dass mehr als 20 Staaten und lokale Wahlsysteme online angegriffen wurden. Der damalige Koordinator für Cybersicherheit, Michael Daniel, berichtet davon, dass die Angriffe unterschiedlich erfolgreich verliefen. Da Russlands staatliche Hacker zu den bestausgebildeten Cyberaktivisten der Welt zählen, geht man davon aus,  nur die ungeschicktesten Versuche entdeckt zu haben. Die Tatsache, dass in manchen Staaten keine Angriffe gesehen wurden, heiße bloss, dass man sie nicht gefunden hat.

3 Wege, das US-Wahlsystem zu unterminieren

In der zunehmend hitziger werdenden Vorwahlphase nahm das Weiße Haus 3 mögliche Wege an, wie Russland die Integrität der US-Wahlen zerstören könnte.

  1. unauffällige Änderung der  Wählerdateien –  zum Beispiel Löschung eines Buchstaben in jeder Adresse. Dies würde dazu führen, dass WählerInnen am Wahltag mittels provisorischem Stimmzettel wählen müssen.  Das würde den Eindruck von Chaos erwecken und Propagandisten die Möglichkeit bieten, die Wahl grundsätzlich in Frage zu stellen.
  2. Manipulation der Wahlmaschinen – und davon ein Video auf youtube veröffentlichen, in dem gesagt wird, dass derartige Manipulationen tausende Male vollzogen wurden. Das würde Zweifel an allen Wahlmaschinen des Landes säen.
  3. Beeinflussung der Wahlberichterstattung. Das Auszählsystem ist dezentralisiert und gründlich. Das dauert lange, gibt aber Verlässlichkeit. In der Aufgeregtheit von Wahlnächten verlassen sich Medien auf die Angaben der Associated Press (AP). Greift ein Hacker in die Daten der AP ein, entsteht Chaos.

Diese Annahmen vor Augen, wurde von Justizministerium (department of justice), FBI und Ministerium für Heimatschutz (department of homeland security, DHS) ein Notfallplan entwickelt, wie sich Wahlbehörden am Wahltag gegebenenfalls zu verhalten haben. Auch Maßnahmen seitens DHS, FBI und des nationalen Nachrichtendienstes sowie des Verteidigungsministeriums (department of defence) waren für den Fall einer Cyberattacke während der Präsidentschaftswahl vorgesehen.  Der Notfallplan selbst wurde von einigen Staaten mit Mißgunst kommentiert, da man ihn als Zeichen der Einmischung in die Wahl, die eine bundesstaatliche Angelegenheit ist, interpretierte.

Der Wahltag, 8. November 2016, verlief ohne offensichtlichen spektakulären online-Angriff. Donald Trump wurde zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Die Zweifel an der Korrektheit der Wahl beschäftigen Politik und Medien nach wie vor, ebenso die Rolle des gewählten Präsidenten im Zusammenhang mit den Russland zugeschriebenen Cyberangriffen.

Quellen und links

Magazin TIME, 31. Juli 2017

Magazin TIME online

zur US-Wahl auf 1-sicht

Über das Menschenrecht auf allgemeines und gleiches Wahlreicht auf 1-sicht

Mails hacken war gestern – 1-sicht vom 14. Juni 2017

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand

Ein Demagoge zieht ins Weiße Haus ein. Ein schwarzer Tag für die Welt?

„Das Undenkbare ist nur undenkbar bis es passiert“ – so leitet der Guardian am 9. November 2016 seinen Leitartikel ein. Donald Trump gewann die Wahl zum US-Präsidenten. „Ein schwarzer Tag für die Welt.“ (Guardian)

Zahlreiche politische Beobachter hielten es zu Beginn des Wahlkampfes für undenkbar, dass der politisch unerfahrene Milliardär und Demagoge Trump als Sieger der Vorwahlen der Republikaner ins Rennen gehen wird, geschweige denn, eine Chance auf den Wahlsieg haben kann.

Sein Diskreditieren staatlicher Institutionen und Prozesse, sein Lächerlichmachen der ‚political correctness‘, seine derbe Sprache, seine scharfen Feindbildzeichnungen und bewussten Polarisierungen, seine Kriegsrhetorik, seine zur Pose gemachte Ablehnung des Establishments (als dessen Vertreter er als Milliardär durchaus gelten kann) – alles gängige Instrumente im Werkzeugkasten populistisch agierender Personen – ging selbst vielen seiner Parteifreundinnen und -freunden zu weit und schien nicht mit den Werten der republikanischen Partei vereinbar. Anstoß für einige prominente RepublikanerInnen, sich öffentlich von ihm zu distanzieren, gaben in der Schlussphase des teils tief schmutzigen Wahlkampfes Trumps frauenverachtende und sexistische Aussagen. In der letzten TIME-Ausgabe vor der Wahl glaubt Charlotte Alter einen Trend weg von Trump (nicht notwendigerweise hin zur demokratischen Kandidatin Hillary Clinton) sogar bei streng christlichen, traditionell republikanisch wählenden Frauen zu erkennen. Die Mehrheit der Frauen, so die allgemeine Annahme, würde Trump aufgrund dessen Frauenbildes ohnehin nicht wählen und um die Wahl zu gewinnen, brauche man die Stimmen der Frauen (Bottom Lines, TIME, November 14, 2016).

Präsident Trump: Das Undenkbare ist Realität geworden

Es kam anders. Das einst Undenkbare ist nun Realität. Ein Mann ohne politische Erfahrung mit eigenwilligen Eigenschaften und beträchtlichem Potenzial, die Gesellschaft zu spalten, ist designierter 45. US-Präsident. Gewählt wurde er in hohem Maße von weißen Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter und Ausbildung. Es hat sich also weder die Annahme, Frauen wählen Trump nicht, noch die Annahme, Trump wird von jenen gewählt, die sich als Verlierer verstehen, als haltbar erwiesen.

Was haben die USA, was hat die Welt zu erwarten?

Trumps Programm: „Machen wir Amerika wieder großartig“. Was haben die USA und was hat die Weltgemeinschaft davon zu erwarten? Eine Einschätzung des Guardian:

  • Die Wahl Trumps fügt sich in die nationalistischen Tendenzen, die in der europäischen Gesellschaft sichtbar sind und im Brexit einen starken Ausdruck gefunden haben. Es kann erwartet werden, dass diese Tendenzen befeuert werden. Marine Le Pen, Parteichefin von Frankreichs Front National, zählte zu den ersten GratulantInnen Trumps. Heinz-Christian Strache, Parteichef der FPÖ, gratuliert via Facebook mit den Worten „Stück für Stück wird die politische Linke und das wirklichkeitsfremde und korrupte Establishment von den Wählern bestraft und von den Sitzen der Macht getrieben. Das ist gut, denn das Gesetz kommt vom Volk.“
  • Die Republikaner haben auch im Senat und im Repräsentantenhaus jeweils die Mehrheit und damit eine Machtfülle, wie es in den vergangenen 100 Jahren selten war. Ihre Vorstellungen für die Umgestaltung des Höchstgerichtes werden – über die Amtsperiode hinaus – großen Einfluss auf Themen wie Gleichberechtigung (Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung, …) und Abtreibung  haben.
  • Im Wahlkampf beleidigte Trump Schwarze wie Muslime, Latinos wie Einwanderer. Er warb verdeckt antisemitisch. Seine WählerInnen werden nun entsprechende Taten verlangen, die den mühsamen Fortschritt der vergangenen 50 Jahre in Bezug auf Gleichberechtigung gefährden und fatal wirken können.
  • Das Wirtschaftsprogramm liegt im Dunkeln. Zwar versprach der Milliardär Trump, sich für jene einzusetzen, die sich zurück gelassen fühlen. Wie, das ließ er im Unklaren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er protektionistische Maßnahmen setzt, die zwar Seinesgleichen zugute kommen, aber nicht jenen, die einst mit ihrer Arbeit in den Fabriken zum eigenen Wohlstand und dem des Landes beitragen konnten, dass er Webereien, Minen etc. reanimieren kann. Erwacht in den WählerInnen der Verdacht, Trump könnte sie und ihre Ängste für seinen Vorteil ausgenutzt haben, wäre Feuer am Dach.
  • Die größte Sorge gilt dem Guardian der Unsicherheit, die der neu gewählte Präsident für die Weltgemeinschaft bedeuten kann. Man schätzt dessen Kapazität zur Destabilisierung geradezu grenzenlos ein. Militärisch, diplomatisch, sicherheitspolitisch und in der Handelspolitik wohne das Potenzial inne, die Welt zum Schlechteren zu wenden.

Quellen und links

The Guardian view on President-Elect Donald Trump: a dark day for the world,

Rightwing populists first to congratulate Trump on historic upset, Guardian, 9. November 2016

TIME November 14, 2016

Präsidenten der Vereinigten Staaten, wikipedia

über Populisten auf 1-sicht

über die schleichende Brutalisierung auf 1-sicht

1-sicht findet: Lesen bildet.
1-sicht meint: Lesen nährt den Verstand